Genetik offenbart alte Kontakte zwischen Osterinsel und Amerika
Um die Besiedelung und den einstigen Raubbau an den Ressourcen der Osterinsel ("Rapa Nui") - einem der isoliertesten Orte der Erde - gibt es allerlei Spekulationen. Ein Forschungsteam mit Beteiligung von Tom Higham von der Uni Wien bringt nun mit einer genetischen Studie im Fachblatt "Nature" neue Aspekte ans Tageslicht. Demnach gab es bereits zwischen den Jahren 1250 und 1430 Kontakte mit dem fernen Amerika und keinen Hinweis auf einen Bevölkerungsschwund im 17. Jahrhundert.
Das kleine Eiland im Südostpazifik wird immer wieder als Metapher für unseren Heimatplaneten und den verantwortungslosen Umgang mit seinen endlichen Ressourcen herangezogen. So wie die Erde im All liegt die Insel weitgehend isoliert im weiten Ozean - Ausweichmöglichkeiten: Fehlanzeige. In so einer Situation sollte den Bewohnern eigentlich klar sein, dass etwa das Fällen aller Bäume das Ende dieser Ressource bedeutet und man tunlichst davon absehen sollte, die Gewächse auszumerzen. Trotzdem ist das offenbar in der Vergangenheit geschehen.
Mini-Weltuntergang von Hollywood verfilmt
Manche vermuten, dass der Bau der berühmten Steinfiguren - der Moai - ein Antreiber dafür war, dass die Inselbewohner über die Stränge geschlagen und ihre überschaubare Umwelt nachhaltig ruiniert haben - mehr oder weniger sehenden Auges. Diese Art Mini-Weltuntergang oder "Ökozid" hat nicht nur Hollywood in Person von Kevin Costner zu seinem "Rapa Nui"-Film (1994) inspiriert, er wird auch von Umweltschützern als mahnendes Beispiel für menschliche Ignoranz und Kurzsichtigkeit ins Treffen geführt.
Die heute zu Chile gehörende Insel ist rund 3.500 Kilometer von Südamerikas Küste und rund 2.000 Kilometer von der nächstgelegenen Insel, Pitcairn, entfernt. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit war sie von den seefahrenden Polynesiern von Westen nachweislich um das Jahr 1250 bereits besiedelt, wie archäologische und genetische Befunde nahelegen, schreiben die Wissenschafter um Víctor Moreno-Mayar von der Uni Kopenhagen und Anna-Sapfo Malaspinas von der Uni Lausanne (Schweiz) in ihrer Arbeit. Die ersten Europäer erreichten die Insel im Jahr 1722.
Neue Erbgutanalysen von 15 Osterinsel-Bewohnern
Das Forschungsteam näherte sich anhand neuer Erbgutanalysen von 15 Osterinsel-Bewohnern - genannt "Rapanui" -, die zwischen 1670 und 1950 verstarben, einerseits der Frage an, ob es genetischen Austausch mit dem Festland Amerikas gab, und andererseits, ob sich tatsächlich schon vor der Ankunft der Europäer und von südamerikanischen Sklavenhändlern die Bevölkerung dramatisch reduziert hat. Die erste Frage könne mit einem "Ja" beantwortet werden: Demnach trugen und tragen Rapanui um die zehn Prozent genetisches Erbe von amerikanischen Ureinwohnern in sich.
Higham entwickelte eine statistische Methode, um abzuschätzen, wann die Vermischung von Erbgut in etwa stattgefunden haben kann. Den Berechnungen zufolge müsste dieser Pazifik-übergreifende Kontakt in der Zeit zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert stattgefunden haben, heißt es in der Publikation. Es scheint, als dass die Polynesier bereits lange vor den Europäern den größten Ozean der Erde komplett überquert haben. "Unsere Studie kann uns zwar nicht sagen, wo dieser Kontakt stattfand, aber das könnte bedeuten, dass die Vorfahren der Rapanui Amerika vor Christoph Kolumbus erreichten", so Malaspinas in einer Aussendung.
Keine Hinweise auf bisher vermuteten Bevölkerungskollaps
Weiters suchten die Forscherinnen und Forscher nach Hinweisen darauf, dass die Inselbevölkerung einmal vor der Ankunft der Europäer durch eine genetische Engstelle gegangen ist. Aufgrund der Analysen "müssen wir das Szenario eines dramatischen Bevölkerungs-Flaschenhalses in den 1600er-Jahren, wie er von der Ökozid-Theorie angenommen wird, zurückweisen", heißt es seitens der Wissenschafter. Klar sei allerdings, dass die vorliegende Studie nicht dazu verwendet werden könne, um die direkten ökologischen Einflüsse des Menschen auf die Insel abzuschätzen. "Unsere genetische Analyse zeigt, dass die Population vom 13. Jahrhundert bis zum Kontakt mit den Europäern im 18. Jahrhundert stabil wächst. Diese Stabilität ist von entscheidender Bedeutung, denn sie widerspricht direkt der Vorstellung eines dramatischen Bevölkerungskollaps vor dem Kontakt", so Bárbara Sousa da Mota von der Uni Lausanne.
Service - https://doi.org/10.1038/s41586-024-07881-4
Das könnte Sie auch interessieren
Partnermeldung
Anatomie Innsbruck ist international gefragtes Ausbildungs- und Forschungszentrum
Partnermeldung
Nachwuchswissenschaftlerin erhält Marie Andeßner Preis für außergewöhnliche Flechtenforschung in Kirgistan
Partnermeldung