Forscher analysierten Eignung von Wien und Co als "15-Minuten-Stadt"
Das Konzept einer Stadt, in der die wichtigen, alltäglichen Wege in rund 15 Minuten erledigt werden können, ohne etwa ins Auto steigen zu müssen, zieht seit einiger Zeit Aufmerksamkeit auf sich. Wie es um die Umsetzbarkeit der 15-Minuten-Stadt bestellt ist, hat ein italienisches Forschungsteam, an dem auch ein am Complexity Science Hub (CSH) Vienna tätiger Wissenschafter beteiligt war, im Fachblatt "Nature" untersucht. Österreichs Städte steigen in der Analyse recht gut aus.
Das 15-Minuten-Stadt-Konzept wurde von Carlos Moreno von der Sorbonne Universität in Paris geprägt. Es geht davon aus, dass in so einer Siedlung die allermeisten Wege innerhalb einer Viertelstunde absolviert werden können, ohne dass dafür ein umweltschädliches Verkehrsmittel benötigt wird.
Das Team um Vittorio Loreto von der Sapienza Universität und den "Sony Computer Science Laboratories" in Rom hat nun Informationen über Schulen, Firmen, Apotheken oder Arztpraxen sowie zu Geschäften, Spielplätzen oder auch Parkanlagen gesammelt und mit Daten zu den Bewohnerzahlen und deren Verteilung in den Städten verschnitten. So erarbeiteten Loreto, der auch mit dem Wiener CSH assoziiert ist, und seine Kollegen eine neue Methode, um abzuschätzen, wie nahe ein Ballungsraum am "trendigen Konzept" der 15-Minuten-Stadt dran ist, heißt es in der Arbeit.
Europa vorne, USA und Afrika hinten
Ein Ergebnis: "Weltweit betrachtet schneiden viele europäische Städte punkto Erreichbarkeit sehr gut ab - Wien ist dafür ein Paradebeispiel", so Loreto in einer Aussendung: "In den meisten Städten in den USA, in Afrika und Teilen Asiens dauert es hingegen deutlich länger, bis grundlegende Dienstleistungen in Anspruch genommen werden können."
Die Wissenschafter warten auch mit einem Online-Tool auf, das darüber Auskunft gibt, wie gut eine Stadt das Konzept bereits erfüllt. Ist man zu Fuß unterwegs, hat man es demzufolge in Genf, Basel oder Grenoble besonders gut. Als erste österreichische Stadt - die Analyse umfasst hierzulande Wien, Graz, Linz, Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck - findet man die Tiroler Landeshauptstadt, wobei sich alle heimischen Städte auf Plätzen relativ weit vorne befinden. Das gilt auch aus Sicht eines Radfahrers: Hier liegt Innsbruck sogar auf Rang 15 in der weltweiten Analyse.
Wie man zur 15-Minuten-Stadt wird
Mit einem eigens entwickelten Algorithmus errechneten die Wissenschafter in der Folge, wie viele Anpassungen in einigen größeren Städten notwendig wären, um zur 15-Minuten-Stadt zu werden. Demnach müssten vor allem US-amerikanische Großstädte wie Atlanta, San Antonio, Dallas oder Detroit massiv umgebaut werden. Teils um die 70 Prozent der Einkaufsmöglichkeiten, Parks und Co - die Wissenschafter sprechen von "Points of Interest" (POIs) - müssten dort woanders verortet sein, um das 15-Minuten-Ziel zu erreichen.
Viel näher dran ist man hingegen in einigen europäischen Städten, wie Mailand, Kopenhagen, Lissabon oder Paris, die "bereits eine gut optimierte, homogene Verteilung der Dienstleistungen" aufweisen, wie die Forscher schreiben. Knapp darauf folgt Wien, wo nur rund zwölf Prozent der POIs quasi verschoben werden müssten. Ganz ähnlich sieht es auch in München, Athen, Barcelona, dem japanischen Sapporo oder in Rom aus. Egal, ob man das populäre und auch kontrovers diskutierte Konzept verfolgt oder nicht, die Forscher hoffen, dass ihre Analyse Stadtplanern oder Politikern neue Perspektiven eröffnet, heißt es.
Service - Die Publikation: https://doi.org/10.1038/s44284-024-00119-4;
Das Online-Tool: https://whatif.sonycsl.it/15mincity/index.html)