Quanten-Simulatoren: Wenn die Natur ihre Naturgesetze verrät
Quanten-Simulatoren sind ein völlig neues Werkzeug für die Forschung: Man erklärt Quantenphysik durch andere Quantenphysik. Forschungsteams aus Innsbruck und Wien entwickeln eine neue Methode, die in Zukunft die Verifikation dieser neuen Technologie zulässt.
Quantenphysik ist ein vielfältiges Gebiet: Sie beschreibt Teilchenkollisionen kurz nach dem Urknall ebenso wie Elektronen in festen Materialien oder Atome weit draußen im All. Aber nicht alle Quanten-Objekte sind gleich einfach zu untersuchen. Bei manchen - etwa beim frühen Universum - sind direkte Experimente überhaupt unmöglich. Man kann stattdessen aber "Quanten-Simulatoren" verwenden: Man untersucht ein Quantensystem (zum Beispiel eine Wolke ultrakalter Atome), um etwas über ein anderes System zu lernen das zwar physikalisch ganz anders aussieht, aber doch den gleichen Gesetzmäßigkeiten folgt, sich also an dieselben mathematischen Gleichungen hält.
Welche Gleichungen das sind, die ein bestimmtes Quantensystem bestimmen, ist oft schwer herauszufinden. Normalerweise muss man dazu zunächst theoretische Vermutungen anstellen und dann durch Experimente überprüfen, ob sich diese Vermutungen bewähren. Forschenden an der Universität Innsbruck, dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) und der TU Wien gelang nun allerdings gemeinsam ein wichtiger Schritt auf diesem Gebiet: Sie entwickelten eine Methode, mit der man direkt aus dem Experiment ablesen kann, welche physikalische Theorie das Verhalten des Quantensystems effektiv beschreibt. Das erlaubt nun eine Qualitätskontrolle: Man kann direkt überprüfen, ob der Quantensimulator auch wirklich das tut, was man simulieren möchte. Dadurch sollen nun quantitative Aussagen über Quantensysteme möglich werden, die man nicht direkt untersuchen kann.
Verständnis durch Messungen mit Analog-Experimenten
"In der Quantenphysik stößt man oft auf sehr komplizierte Gleichungen. Wenn eine größere Zahl von Teilchen im Spiel ist, sind selbst die größten Supercomputer der Welt damit hoffnungslos überfordert", sagt Robert Ott, Postdoc in der Gruppe von Hannes Pichler an der Universität Innsbruck. Daher ist ein anderer Weg oft hilfreicher: "Wenn man ein System von Quantenteilchen hat, das man sehr genau kontrollieren und messen kann, dann lassen sich damit in manchen Fällen andere Quantensysteme nachbilden. So kann man eine Art "Analog-Experiment" durchführen. Man kann sich das so ähnlich vorstellen, als würde man etwa mit Wasserwellen experimentieren, um daraus etwas über Schallwellen zu lernen", erklärt Maximilian Prüfer von der TU Wien.
Eine besonders interessante Variante solcher Quanten-Simulatoren sind Wolken aus ultrakalten Atomen. An der TU Wien verwendet man in der Arbeitsgruppe von Prof. Jörg Schmiedmayer sogenannte Atomchips, um diese hochkontrolliert festzuhalten, zu manipulieren und zu untersuchen. "In diesen Atomwolken kommt es auf großen Skalen zu Anregungen, die denselben mathematischen Gleichungen gehorchen wie andere quantenphysikalische Phänomene, die in ganz anderen Situationen auftauchen", sagt Maximilian Prüfer, der mit Finanzierung durch ein ESPRIT fellowship des FWFs ein Experiment in der Arbeitsgruppe leitet. "Wir wollen also wissen: Wie sehen diese Gleichungen, denen unser System ultrakalter Atome gehorcht, nun genau aus? Passen sie zu den fundamentalen Gesetzen, an die sich ein bestimmtes anderes Quantensystem hält?"
Theorie und Experiment
Theorie und Experiment zu vergleichen ist in gewissem Sinn der Kern der Naturwissenschaft: "Normalerweise überlegt man, welche Theorie für eine bestimmte Situation die richtige sein könnte, und dann vergleicht man die daraus resultierenden Ergebnisse mit dem Experiment", sagt Robert Ott. "Wenn beides übereinstimmt, ist das ein Hinweis, dass die theoretische Beschreibung richtig ist. Wenn nicht, muss man sich eine neue Beschreibung überlegen."
Im Fall des Quantensimulators ist die Sache aber etwas anders: Das Team hat eine Möglichkeit entwickelt, die mathematischen Gesetze, an die sich das System in einer bestimmten Situation hält, direkt aus dem Experiment abzulesen. Diese Gesetze aus physikalischen Grundgesetzen theoretisch abzuleiten wäre extrem schwierig. Die hohe Anzahl der beteiligten Atome, die auf komplexe Weise miteinander interagieren, macht es fast unmöglich, diese Gleichungen herzuleiten.
Ein Baustein-Verfahren für die gesuchte Beschreibung
"Ganz entscheidend in der Quantentheorie ist der sogenannte Hamilton-Operator", sagt Robert Ott. "Das ist ein mathematisches Objekt, das beschreibt, wie sich ein Quantensystem verhalten wird." Dieser Hamilton-Operator kann unterschiedliche mathematische Formen annehmen: Unterschiedliche Arten von Wechselwirkungen zwischen den Teilchen können darin vorkommen, diverse Parameter sind darin enthalten, die beschreiben, wie groß die Rolle ist, die diese Wechselwirkungen jeweils spielen. Es gibt gewissermaßen einen bekannten Satz von "Bausteinen", aus denen dieser Hamilton-Operator zusammengefügt werden kann.
"Wir konnten nun zeigen: Wenn man die Atomwolken auf passende Weise vermisst, dann kann man aus bestimmten Korrelationen dieser Messergebnisse direkt ablesen, aus welchen relevanten Wechselwirkungs-Termen der Hamilton-Operator besteht, und welche Parameter in ihnen vorkommen", sagt Maximilian Prüfer. "Wir müssen nicht zuerst aufwändige Computersimulationen anstellen und dann mit den Messergebnissen vergleichen, sondern wir lesen mit unserer neuen Methode direkt anhand der experimentellen Daten ab, wie die entscheidende Formel aussieht."
Wichtiger Schritt für die Verifikation solcher Quantensimulatoren
Das ist ein wichtiger Schritt für die Verifikation solcher Quantensimulatoren. "Durch unsere Methode kann man zeigen, dass der Quantensimulator tatsächlich das macht, was er soll - und sich somit auf ein anderes Quantensystem, das man nicht direkt im Experiment untersuchen kann, übersetzen lässt", sagt Robert Ott.
Diese Fragestellungen sind auch ein wichtiger Bestandteil der Forschung im Exzellenzcluster QuantA, in dem auf experimenteller sowie auf theoretischer Seite an Quantensimulatoren gearbeitet wird. Das Forschungsteam ist zuversichtlich, dass sich auf diese Weise mit Quantensimulatoren in Zukunft Aussagen über komplizierte Quantensysteme ableiten lassen, die auf andere Weise, etwa durch Computersimulationen, niemals zugänglich geworden wären.
Originalpublikation
R. Ott et al., Hamiltonian learning in quantum field theories, Phys. Rev. Research 6, 043284
https://journals.aps.org/prresearch/abstract/10.1103/PhysRevResearch.6.043284
Rückfragehinweis:
Dr. Maximilian Prüfer
Atominstitut
Technische Universität Wien
+43 1 58801 141822
maximilian.pruefer@tuwien.ac.at
Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien
pr@tuwien.ac.at