"Austro-Nobelpreis" geht an Pflanzenbiologen Jiří Friml
Der 1,7 Millionen Euro schwere, oft als "Austro-Nobelpreis" bezeichnete höchstdotierte Wissenschaftspreis des Landes - der Wittgenstein-Preis - geht an den Pflanzenbiologen Jiří Friml. Der am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg (NÖ) tätige, aus Tschechien stammende Forscher nahm die Auszeichnung des Wissenschaftsfonds FWF in Wien in Empfang. Acht Forscher erhielten zudem mit je 1,2 Mio. Euro dotierte START-Preise.
Der Wittgenstein-Preis soll exzellenten Forschern "ein Höchstmaß an Freiheit und Flexibilität bei der Durchführung ihrer Forschungstätigkeit garantieren, um eine außergewöhnliche Steigerung ihrer wissenschaftlichen Leistungen zu ermöglichen". Die Auszeichnung, deren Dotation heuer von 1,5 Mio. auf 1,7 Mio. Euro angehoben wurde, wird vom Bildungsministerium finanziert und vom FWF vergeben, die Preisträger werden von einer Jury ausländischer Wissenschafter ausgewählt. Gemeinsam mit dem Wittgenstein- und den START-Preisen werden in diesem Jahr auch die "Awards" des Vereins ASCINA (Austrian Scientists and Scholars in North America) an in den USA tätige österreichische Forscherinnen und Forscher verliehen.
"Jiří Friml ist ein Pionier auf dem Gebiet der Pflanzenbiologie, insbesondere in der Frage, wie das Hormon Auxin als das wichtigste koordinative Signal zur Regulierung von Pflanzenwachstum und -entwicklung funktioniert", heißt es in der Jury-Begründung: Man ehre hier einen der "kreativsten Forscher auf einem Gebiet, in dem Österreich eine führende Rolle spielt. Er ist eine treibende Kraft in der globalen Pflanzenbiologie".
"Pflanzen sind Außerirdische"
"Pflanzen sind Außerirdische", erklärte der 50-jährige Friml im Gespräch mit der APA. Von der tierisch-menschlichen Biologie unterscheide sie nämlich unglaublich viel, da sich diese beiden Zugänge zum mehrzelligen Leben unabhängig voneinander entwickelt haben. In der Welt der Wissenschaft sei die Aufmerksamkeit allerdings höchst ungleich verteilt, so der Preisträger, obwohl sehr viele grundlegende Entdeckungen, wie die erste Beobachtung von Zellen, Genen oder zur Epigenetik an Pflanzen gemacht wurden. Man befinde sich zwar ein Stück weit "an der Peripherie der Wissenschaft", aber: "Es ist nicht so, dass ein paar Verrückte da einfach an grünem Zeug arbeiten."
Zum fundamentalen Verständnis der pflanzlichen Entwicklung, zur Organisation ihres Wachstums und ihrer Heilungsprozesse konnten Friml und sein Team in den vergangenen 25 Jahren tatsächlich viel beitragen. Seit dem Jahr 2012 treibt der zweifache Familienvater diese Arbeiten am ISTA voran - auch unterstützt durch seinen ihm im Frühling zuerkannten zweiten "Advanced Grant" des Europäischen Forschungsrates (ERC) und nun den Wittgenstein-Preis. Im Zentrum seine Interesses steht das Pflanzen-Wachstumshormon Auxin.
Fokus auf Wachstumshormon Auxin
"Auxin ist das einzige Pflanzenhormon, das sich gerichtet durch die Zellen bewegt", so Firml: "Nimmt man den Stängel her, wird es immer nach unten fließen." Mit diesem von speziellen Proteinen organisierten Transport befasst sich der Forscher zuallererst. In zahlreichen Publikationen in hochrangigen Fachjournalen konnte der vielfach Ausgezeichnete zeigen, dass die asymmetrische Verteilung der Transporterproteine in den Zellen und die Veränderung selbiger, etwa durch die Schwerkraft oder Lichteinstrahlung, entscheidend für das Wachstum ist. Hier handle es sich um einen "universellen Mechanismus, wie die Pflanze auf verschiedene Reize antwortet", erklärte Friml.
In der Folge stellte er fest, dass auch die Embryo- und Organbildung über die Verteilung von Auxin gesteuert wird. Wo am Baum also ein neues Blatt wächst, wird über diese Prozesse organisiert und festgelegt. "Es ist wie ein Nervensystem, wo wir statt Nervenfasern die Auxinflüsse haben", betonte der Wittgenstein-Preisträger. Mit den neuen Förderungen möchte er weiter aufklären, "was in den einzelnen Zellen passiert", wenn sich der Auxingehalt ändert - "wie also die Auxinsignale individuell umgesetzt werden."
"Die zweite große Richtung ist das Verstehen der Evolution der Pflanzen", sagte Friml. So weiß man zwar, dass es Auxin auch in einfachen Algen gibt, in denen es nur einen Zelltyp gibt. Was das Hormon dort tut und wie es später zum so zentralen Akteur in der Entwicklung komplexer Pflanzen wurde, sei jedoch offen.
Ungleiche Verteilung der Forschungsgelder
Insgesamt gebe es im Bereich der Pflanzen noch sehr viel zu entdecken. Dieser erfahre traditionell weniger Aufmerksamkeit, weil er u.a. medizinisch wenig relevant ist. Sehe man sich an, wohin Forschungsgelder fließen, dann sei die Verteilung in Europa sehr ungleich. Das spiegle auch gesellschaftliche Ängste wieder, wo die Furcht vor Krebs oder Herzinfarkt oft näher liege als die Angst vor Hunger durch Ernteausfälle. "Das finanzielle Interesse in der Pharmakologie ist viel größer", so Friml. In China sehe das aber ganz anders aus: Rund 45 Prozent der medizinisch-biologischen Forschungsmittel der Chinesischen Akademie der Wissenschaften würde in die Pflanzenforschung gehen. In Europa schätzt er diesen Anteil auf "unter fünf Prozent". Dementsprechend plagen das Gebiet durchaus auch Nachwuchssorgen, so Friml.
Sorge bereitet ihm auch der Mangel an inhaltlich fundierter Diskussion etwa über die "Grüne Gentechnik" in Österreich: "Man hat hier sehr starke Meinungen, die oft nicht wirklich auf einem fachlichen Wissen oder Verständnis beruhen. Dann sitzt man am Tisch mit Leuten, die es zwar gut meinen und das beste für die Natur wollen", aber vielen vorgefertigten Meinungen und Bildern darüber anhängen "wie schrecklich und gefährlich das ist". Vielfach ersticke das den notwendigen Diskurs: "Das ist traurig." Das Potenzial in dem Bereich, um einerseits die Nahrungsmittelsicherheit zu erhöhen, aber auch ökologischer Landwirtschaft und Bevorratung zu betreiben, sei jedenfalls "unglaublich groß". Hier müsste auch an Schulen noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Service: https://www.fwf.ac.at/; https://ist.ac.at/de/forschung/friml-gruppe
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