"Heldenplatz": Bernhard griff nach Skandalisierung nicht in Text ein
Hatte die mediale und politische Skandalisierung von Thomas Bernhards Stück "Heldenplatz" im Vorfeld der Premiere im Herbst 1988 Einfluss auf den Stücktext? Dieser Frage sind Forscherinnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Rahmen ihrer historisch-kritischen digitalen Edition von "Heldenplatz" nachgegangen. Darin beleuchten Konstanze Fliedl, Barbara Tumfart und Silvia Waltl die im Nachlass überlieferte Entstehungsgeschichte des Werks.
In der Edition sind diverse Textstufen von Entwürfen bis hin zu korrigierten Druckfahnen sowohl als Faksimile als auch als Transkription einsehbar. Zusätzlich zu den Texten bieten ein Register und Stellenkommentare zusätzliche Informationen zu Personen, Orten und Ereignissen. In einer Zeitleiste werden auch die zahlreichen Presseartikel bibliografisch erfasst. Realisiert wurde das Projekt am Austrian Center for Digital Humanities and Culutral Heritage der ÖAW.
Die Forscherinnen konnten anhand ihrer Recherchen feststellen, dass Bernhard nicht auf die Skandalisierung seines Dramas reagierte: "Spätere Texteingriffe haben nichts mit seinem Rundumschlag gegen den österreichischen Faschismus, Katholizismus und Sozialismus zu tun", heißt es in der Aussendung.
In den Wochen vor der "Heldenplatz"-Uraufführung am damals von Claus Peymann geleiteten Burgtheater waren die Wogen hochgegangen, nachdem Passagen aus dem Drama noch während der Proben verschiedenen Zeitungen zugespielt wurden. Der damalige Bundespräsident Kurt Waldheim, Vizekanzler Alois Mock (beide ÖVP) sowie der FPÖ-Bundesparteiobmann Jörg Haider wollten daraufhin das Theaterstück absetzen lassen.
1988 ein bühnenreifer Skandal
Die Premiere am 4. November 1988 fand schließlich unter Polizeischutz statt, am Ende mischten sich in den 23 Minuten währenden Applaus auch Buh-Rufe. "Heldenplatz" handelt von den Hinterbliebenen des ehemals von den Nazis vertriebenen Mathematikprofessors Josef Schuster, der - aus dem englischen Exil nach Wien zurückgekehrt - sich aufgrund des unveränderten Antisemitismus das Leben nimmt. Immer wieder war darüber spekuliert worden, ob Bernhard den Text kurz vor der Premiere noch entschärft oder weiter zugespitzt haben könnte. Diese These wurde nun widerlegt.
Service: Thomas Bernhard: "Heldenplatz. Digitale Edition", Hrsg. v. Barbara Tumfart, Silvia Waltl und Konstanze Fliedl. Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) 2024, https://hp.ace.oeaw.ac.at