"Maskeraden": Eine neue Kulturgeschichte des Austrofaschismus
Mit dem Alltags- und Kulturleben zwischen 1933 und 1938 in Österreich beschäftigt sich ein neues Buch, das morgen, Donnerstag im Wien Museum präsentiert wird. Die Autoren Alfred Pfoser, Béla Rásky und Hermann Schlösser nennen ihre Kulturgeschichte des Austrofaschismus "Maskeraden" und nehmen dabei Bezug auf den 1934 gedrehten Operettenfilm "Maskerade" von Willi Forst mit Paula Wessely, Olga Tschechowa und Hans Moser.
"Den Maskeraden fiel in allen faschistischen Diktaturen eine tragende Rolle zu: Die Macht zeigte sich in theatralischen Auftritten, die Propaganda inszenierte kollektive Mythen und 'vaterländische' Erinnerungen", heißt es im Vorwort. "Auch der Austrofaschismus bediente sich mit mehr oder weniger Geschick der demonstrativen Pracht- und Machtentfaltung. Sie sollte die fehlende Unterstützung in der Bevölkerung wettmachen und die Exklusion von der politischen Teilhabe verschleiern."
"Ein Meisterstück der Theatralität war der Deutsche Katholikentag im September 1933, bei dem Engelbert Dollfuß, kostümiert in der Uniform des Tiroler Kaiserjägers, den ›christlich-autoritären Ständestaat‹ ankündigte und das Ende des Parlamentarismus ausrief", analysieren die Autoren und halten in Ereignissen und Schlaglichtern den Versuch fest, dem auf rassistischen Mythen beruhenden nationalsozialistischen Deutschland eine sich auf christliche und bürgerliche Werte berufende Kulturnation entgegenzusetzen, die sich auf abendländische Traditionen berief, gleichzeitig aber spezifisch alpenländische Kulturleistungen hervorhob.
Von der Ausschaltung des Parlaments am 8. März 1933 über Max Reinhardts "Faust"-Inszenierung in der Felsenreitschule bis zum Ende der Arbeiterkultur nach den blutigen Auseinandersetzungen des Februar 1934 reichen die vielfältigen Tiefenbohrungen zwischen Politik und Kultur. Nach einer Hausdurchsuchung auf dem Kapuzinerberg verlegt Stefan Zweig seinen Hauptwohnsitz nach London, nach der Ermordung von Kanzler Dollfuß beim gescheiterten Nazi-Putsch wird am 8. August 1934 eine Gedenkfeier zelebriert. Der erste Wiener Opernball am 26. Jänner 1935 soll ebenso ein Österreich-Bewusstsein erzeugen wie die Eröffnung der Großglockner-Hochalpenstraße im Sommer darauf.
Maskeraden verhüllten politische Schwäche
Es ist eine interessante, verwirrende Gemengelage von Politikern, Künstlern und Literaten, die mit unterschiedlichen Gefühlen und mitunter wechselnden Allianzen an diesem kulturpolitischen Experiment teilnehmen, bei dem hehrer Patriotismus auf schleichenden Antisemitismus und Hochkultur auf Provinzialität treffen. Karl Kraus findet an Dollfuß Gefallen, Stefan Zweig sympathisiert mit den Sozialdemokraten, Robert Musil kritisiert den Staats- und Beamtenapparat, Sigmund Freud zögert mit der Emigration, Franz Werfel diskutiert mit Kurt Schuschnigg über kulturelle Fragen und Clemens Holzmeister entwirft die Ständezeichen des neuen Staates.
Zwei Jahre später versucht Österreich auf der Pariser Weltausstellung mit Oswald Haerdtls Österreich-Pavillons Modernität zu suggerieren, garniert mit tourismusfördernden Fototapeten österreichischer Passstraßen, während bei den Salzburger Festspielen das antideutsche Bollwerk bröckelt. Arturo Toscanini findet, für ihn und Wilhelm Furtwängler ist kein Platz beim selben Festival. Doch 1938 biegt das faschistische Österreich in die Zielgerade ein.
"Wie es endete, ist Geschichte. Endlose Maskeraden verhüllten die politische Schwäche, die ökonomische und soziale Misere des Regimes: durch diese Gemengelage, Schlampigkeit und Unvermögen zwar gemäßigt, blieb es immer noch eine brutale Diktatur, ein Polizei- und kein Rechtsstaat", fassen die Autoren zusammen. "Auch die Spitzenvertreter des Regimes sollten einen hohen Preis für ihre Inkonsequenz in der Bekämpfung des Nationalsozialismus zahlen."
Service: Alfred Pfoser, Béla Rásky, Hermann Schlösser: "Maskeraden. Eine Kulturgeschichte des Austrofaschismus", Residenz Verlag, 432 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. 38 Euro, Präsentation: Donnerstag, 18. April, 18.30 Uhr, Wien Museum, Wien 4, Karlsplatz 8, Moderation: Günter Kaindlstorfer. Anmeldung erforderlich unter https://www.wienmuseum.at/event/522