ChatGPT: Hausaufgaben und Seminararbeiten von der KI-Software
Ist eine Software, die basierend auf Künstlicher Intelligenz sowohl Aufsätze und Referate schreiben als auch Mathe-Aufgaben lösen kann, Fluch oder Segen für das Bildungssystem? Der Chatbot ChatGPT des kalifornischen Start-ups OpenAI ist erst seit November verfügbar. Seitdem sorgt er in Bildungseinrichtungen in aller Welt für Wirbel.
Lehrkräfte, Schulen und Unis fragen sich, wie sie die Eigenleistung von Schülern und Studierenden erkennen sollen und ob die Prüfungsbedingungen angepasst werden müssen. ChatGPT ist ein sogenannter Chatbot, also ein textbasiertes Dialogsystem. Die Software wurde mit riesigen Datenmengen aus dem World Wide Web gefüttert und kann Informationen immer neu zusammenstellen.
ChatGPT ist also "mehr als ein Textgenerator", erläutert Anja Bensinger-Stolze vom Vorstand der deutschen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Beruhend auf Künstlicher Intelligenz (KI) könne die App "programmieren, mathematische Probleme lösen und auch einfache oder komplexere Fragen beantworten". In Australien haben acht Universitäten bereits angekündigt, deswegen ihre Prüfungsbedingungen zu ändern. Für 2023 planen sie eine "vermehrte Rückkehr zu Papier und Stift".
In New York haben staatliche Schulen den Zugriff auf ChatGPT über ihre Netzwerke und Geräte eingeschränkt. Die App "erlaubt es nicht, Kompetenzen der kritischen Reflexion und der Problemlösung zu entwickeln, die wesentlich für den schulischen Erfolg und den Erfolg im weiteren Leben sind", heißt es von der New Yorker Bildungsbehörde.
Noch kein Verbot in Europa
In einigen europäischen Ländern wird über mögliche Verbote bisher nur diskutiert. Der deutsche Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP), der Anfang Jänner während einer Reise an die US-Westküste auch OpenAI-Chef Sam Altman traf, wirbt für eine positive Herangehensweise. Statt zu "überlegen, wie wir das möglichst zurückdrängen, einschränken oder gar verbieten", gehe es darum, "wie die KI sinnvoll integriert werden kann", erklärte Wissing gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Auch der Pariser IT-Forscher Antonio Casili mahnt zu Gelassenheit. "ChatGPT ist eine wichtige Innovation, aber nicht mehr als die des Taschenrechners oder des Texteditors", die mittlerweile einen festen Platz in der Schulbildung haben. Lernende müssten den Suchergebnissen von ChatGPT immer noch die richtige "Form geben".
Die GEW geht angesichts entsprechender Erfahrungsberichte von Lehrerkräften davon aus, "dass ChatGPT längst von Schülerinnen und Schülern für Hausaufgaben oder auch Referate genutzt wird". Lehrkräfte müssten daher beim Thema KI weitergebildet werden, um die Schüler "dabei optimal begleiten zu können", fordert GEW-Vorstand Bensinger-Stolze.
Texte einfach abzuschreiben bringt nichts
Schülerinnen und Schüler müssten sich wiederum fragen, was sie "davon haben, Texte einfach abzuschreiben". Zudem sei es gerade in Zeiten von Fake News "sehr wichtig, dass Kinder und Jugendliche lernen, Bezüge herzustellen, Texte zu beurteilen, Quellen zu finden und zu bewerten", betont Bensinger-Stolze.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger, ergänzt, Kindern und Jugendlichen müsse bewusst gemacht werden, "dass sie Texte nicht für eine Lehrkraft, sondern für ihren eigenen Lernfortschritt entwickeln und schreiben". Wenn sie sich einfach auf KI verließen, würden sie sich "selbst schaden". Meidinger ist zuversichtlich, dass Lehrkräfte anhand von Alter und Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler "weiterhin sehr gut einschätzen können", was selbst erarbeitet ist und was von KI erledigt wurde.
Zumindest im Moment können sich Lernende in Schulen und Unis tatsächlich nicht allzu sehr auf ChatGPT verlassen. Der App unterlaufen noch einige inhaltliche und logische Fehler. So ordnet sie Walhaie wie Wale den Säugetieren zu. Auch weniger leicht zu entdeckende Fehler sind in ChatGPT-Anfrageergebnissen enthalten, wie etwa vollkommen erfundene Quellenangaben im Literaturverzeichnis.