Maulide: Chemie-Nobelpreisträger haben "Goldgrube" geöffnet
Die beiden diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger Benjamin List und David MacMillan haben mit ihrer Methode der "asymmetrischen Organokatalyse" eine Art wissenschaftliche "Goldgrube" erschlossen. Das erklärte der Chemiker Nuno Maulide von der Universität Wien gegenüber der APA. Das revolutionär neue Prinzip habe zuerst ob seiner Einfachheit auch Kopfschütteln in Fachkreisen ausgelöst. Die beiden Laureaten standen einige Zeit auch in Konkurrenz zueinander.
Maulide wechselte 2013 mit seiner Forschungsgruppe und einem hochdotierten "Starting Grant" des Europäischen Forschungsrat (ERC) vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mühlheim (Deutschland) als Professor für Organische Synthese nach Wien. List war schon damals Direktor am Max-Planck-Institut. Maulide steht in regelmäßigem Kontakt mit dem nunmehrigen Nobelpreisträger: "Er war eigentlich mein Mentor." List sei etwa in den vergangenen Jahren mehrmals Gast an der Uni Wien gewesen, Maulides Vorgänger in Wien, Johann Mulzer, war der Doktorvater des nunmehrigen Preisträgers.
Nobelpreis hat sich lange abgezeichnet
Dass List und MacMillan die Auszeichnung einmal erhalten werden, habe sich schon vor rund zehn Jahren abgezeichnet, sagte Maulide, denn die Arbeiten der beiden waren "revolutionär an sich", so Maulide. Zielgerichtete Katalyse nur eines Moleküls, das als spiegelbildliche Versionen entstehen kann, war davor tatsächlich eine Domäne der Metallchemie oder der Enzyme. Zwar gab es bereits in den 1970er und 1980er Jahren Arbeiten, die zeigten, dass das auch mit kleinen organischen Molekülen geht. Das waren aber "isolierte Beispiele" und die Arbeiten dazu wurden "ein bisschen ignoriert", so Maulide.
List und MacMillan hätten fast gleichzeitig im Jahr 2000 auch Beispiele in großen Fachzeitschriften vorgestellt. "Beide Publikationen deuten aber schon an, dass es sich hier nicht nur um ein Beispiel, sondern ein größeres Konzept handelt - das ist das Revolutionäre", betonte Maulide. Daraufhin folgte eine Unzahl an Publikationen der beiden Wissenschafter, die ähnliche Herangehensweisen pflegten und auch in Konkurrenz zueinander und anderen Gruppen standen.
Einfache Anwendung
Letztlich sei die Methode so einfach anzuwenden, dass sich manche Forscher dachten: "Das kann doch nicht so allgemein sein. Warum haben wir das nicht vorher gemacht?" Plötzlich konnten auch Labore, die davor aufgrund der komplexen Anforderungen der Metallkatalyse kaum konkurrenzfähig waren, neue Reaktionen entwickeln und publizieren. Maulide: "Die Community hat gemerkt, dass das eigentlich der Hammer ist." Hinter der Methode stecke nämlich keine hochkomplexe Chemie, Studenten lernen die Grundlagen mittlerweile am Beginn des Studiums.
Um das Jahr 2010 sei es dann bei einer von List organisierten großen Tagung in Mühlheim zu einer Art Aussöhnung der beiden Neo-Preisträger gekommen. Zu dem Symposium hat Maulide im "European Journal of Organic Chemistry" einen Bericht publiziert. List, MacMillan und andere hätten das Verfahren mittlerweile auch ein Stück weit ausgereizt. Die beiden Preisträger widmen sich seit einiger Zeit auch anderen Schwerpunkten. In der Industrie seien die vielfältigen Anwendungsgebiete der Methoden nach Maulides Dafürhalten bisher aber noch nicht ganz so breit angekommen, wie zuerst vermutet - obwohl die Ansätze umweltfreundlicher und kostengünstiger sind. Vielleicht brauche es dazu noch etwas Zeit, so der Chemiker.
Service: Der Bericht im "European Journal of Organic Chemistry": https://doi.org/10.1002/ejoc.201001323