Gut integrierte Schüler mit Migrationshintergrund weniger erfolgreich
Formal gesehen funktioniert die Integration an Österreichs Schulen. Schülerinnen und Schüler, die bereits in Österreich geboren wurden, schneiden auch besser ab als jene, die erst vergleichsweise kurz in Österreich sind. Unter Kindern und Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln gibt es allerdings immer noch mehr Risikoschüler und sie schließen die Schule auch seltener erfolgreich ab, zeigt eine Studie des Soziologen Johann Bacher.
2021 gab es in Österreich 259.000 Jugendliche mit Migrationsgeschichte, das sind 28 Prozent der 15- bis 24-Jährigen im Land. Dementsprechend wichtig ist es laut Bacher auch für deren Integration, dass sie dieselben schulischen Möglichkeiten bekommen wie Schüler ohne Migrationshintergrund.
Formal gesehen alles in Ordnung
Formal sieht es dabei in Österreich ganz gut aus: Beim Anteil der Jugendlichen, die nach Ende der Schulpflicht im Bildungssystem bleiben, gibt es keine Unterschiede nach der Herkunft. Schüler mit Migrationshintergrund seien also "in dieser Hinsicht formal gut integriert", so Bacher bei einem Online-Pressegespräch von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz".
Allerdings gibt es in dieser Gruppe laut Auswertung des Mikrozensus immer noch mehr frühe Schulabgänger mit maximal Pflichtschulabschluss (ohne Migrationshintergrund: 4,7 Prozent; 2. Generation - Eltern im Ausland geboren: 8,0; 1. Generation - selbst im Ausland geboren: 9,5). Das liegt laut Bacher vor allem an der geringeren Bildung der Eltern von Schülern mit Migrationshintergrund.
Gleichzeitig gibt es unter Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund etwas mehr, die eine maturaführende Schule besuchen oder abgeschlossen haben (57,1 gegenüber 55,1 bzw. 42,9). Jugendliche ohne Migrationshintergrund machen auch öfter eine Lehre bzw. schließen sie erfolgreich ab (25,2 gegenüber 18,8 bzw. 17,3). Die Lehre sei unter den Jugendlichen mit Migrationshintergrund aber sehr wohl angekommen, so Bacher, unter jenen mit Wurzeln in der Türkei oder Ex-Jugoslawien liege die Lehrlingsquote bei über 20 Prozent.
Vergleicht man nur Schüler, deren Eltern dasselbe Bildungsniveau haben, gibt es keinen Unterschied zwischen Schülern ohne Migrationshintergrund und jenen der zweiten Generation, beim Besuch maturaführender Schulen hat die zweite Generation sogar die Nase vorne.
Viele Risikoschüler trotz Integrationserfolgen
"Es gibt also Integrationserfolge bei der Mehrheit", so Bacher. Gleichzeitig wisse man aber aus nationalen und internationalen Bildungsstudien, dass es in dieser Gruppe immer noch sehr viele Risikoschüler gebe. Außerdem würden Jugendliche mit Migrationshintergrund zwar lange im österreichischen Schulsystem verweilen, ihre Bildungskarriere aber auch häufiger abbrechen oder, weil sie den Lernanforderungen nicht gewachsen sind, in einer "Abwärtskarriere" in Schulformen mit einem niedrigeren Abschluss wechseln müssen.
Die Coronapandemie hat sich laut Bachers Auswertungen auf Jugendliche, die im Ausland geboren sind, deutlich negativ ausgewirkt: Der Anteil der Schulabbrecher ist gestiegen, jene die nach der Schulpflicht im System bleiben oder eine Schule mit Maturaabschluss besuchen, gesunken. Die generell schlechteren Werte der ersten Generation führt der Soziologe darauf zurück, dass diese Jugendlichen kürzer in Österreich sind und deshalb weniger Möglichkeiten etwa zum Spracherwerb hatten.
Gerade für die Gruppe der Risikoschülerinnen und -schüler bräuchte es laut Bacher noch bessere Unterstützung durch eine Änderung der Rahmenbedingungen. Gute Hebel wären laut ihm ein früherer Eintritt in den Kindergarten und mehr ganztägige Schulangebote für mehr Sozialkontakte, eine spätere Selektion der Schüler, mehr Mittel für Schulen mit besonders vielen Schülern mit Förderbedarf und ein Nachschärfen bei den Programmen für Schulabbrecher. Hier wäre etwa ein Anheben der Altersgrenzen sinnvoll.