Sterben weniger gebildete Menschen früher?
Wie groß der Einfluss von Bildung auf die Sterblichkeit ist, untersucht eine aktuelle Studie unter Beteiligung der ÖAW anhand von Ordensleuten in Klöstern. Das Ergebnis: Der Bildungsgrad spielt eine weniger große Rolle, wenn der Zugang zu Geld, Netzwerken und Einfluss gleich ist.
In Österreich beträgt der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Personen mit Hochschulabschluss und Personen mit Pflichtschulabschluss rund drei Jahre bei Frauen und sieben Jahre bei Männern, das zeigen Daten der Statistik Austria. Ist Bildung also ein entscheidender Faktor? Oder anders formuliert: Sterben weniger gebildete Menschen früher? Dieser Frage geht nun eine neue Studie im Journal of Health and Social Behavior nach. Die Forschenden wollten wissen, wie stark Bildung die Lebenserwartung beeinflusst, wenn der Zugang zu anderen Ressourcen wie Geld, Einfluss und Netzwerken weitgehend gleich ist.
Marc Luy vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat gemeinsam mit einem Team von Forscher:innen der Statistik Austria und der TU Dortmund für eine Antwort Daten aus der sogenannten "Klosterstudie" verwendet. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob der sozioökonomische Status auch unter standardisierten Lebensbedingungen die Sterblichkeit beeinflusst. Für die Analyse wurden die Lebensdaten von 2.421 Mönchen ausgewertet, die zwischen 1840 und 1959 geboren wurden und in klösterlicher Gemeinschaft leben.
Sozioökonomische Faktoren als Ursache für gesundheitliche Ungleichheiten
Dabei zeigt sich: Es gibt keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Sterblichkeit zwischen Mönchen mit höherem und niedrigerem Status. Dies gilt für alle untersuchten Geburtsjahrgänge.
Die Ergebnisse der Studie fasst Demograph Marc Luy so zusammen: "Unsere Klosterstudie zeigt, dass Ordensmänner unabhängig von ihrem Bildungsgrad über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren eine nahezu identische Sterblichkeit aufweisen. Das spricht für die so genannte 'Fundamental Cause Theory', die besagt, dass soziale Unterschiede in der Gesundheit vor allem auf den ungleichen Zugang zu Ressourcen wie Geld, Wissen, Netzwerken oder Einfluss zurückzuführen sind."
Leben von Ordensmännern als Modell
Während sozioökonomische Unterschiede in der Allgemeinbevölkerung oft als bedeutsam für die Mortalität angesehen werden, scheint der Einfluss des sozialen Status unter weitgehend gleichen Lebensbedingungen - wie im Kloster - deutlich geringer zu sein.
Könnten also soziale Unterschiede in der Lebenserwartung verringert werden, wenn der Zugang zu derartigen Ressourcen gerechter wäre? Ja, sagt Luy. "Dies zeigt sich auch daran, dass der Nulleffekt der Studie darin besteht, dass Mönche mit geringerem Bildungsabschluss in ihrer Lebenserwartung zu den höher gebildeten Mönchen und zu den höher gebildeten Männern der Gesamtbevölkerung aufschließen, wie wir bereits in einer vorhergehenden Studie dokumentiert haben."
Wurzeln der Klosterstudie
Die Wurzeln der "Klosterstudie" reichen übrigens bis in die 1990er-Jahre zurück, als Marc Luy das Leben von Mönchen und Nonnen als Modell nutzte, um die Ursachen für die unterschiedliche Lebenserwartung von Frauen und Männern zu erforschen. Klöster bieten ideale Bedingungen, um den Einfluss nicht-biologischer Faktoren wie Lebensstil, Einkommen, sozialer Status und Zugang zu medizinischer Versorgung zu minimieren. Mehr zur "Klosterstudie" findet sich auf einer eigenen Website unter: www.klosterstudie.at
Publikation:
"No Socioecono-mic Ine-qua-lities in Mor-tality among Ca-tholic Monks: A Quasi-Ex-pe-ri-ment Pro-vi-ding Evi-dence for the Funda-mental Cause Theory", Alina Schmitz, Pat-rick La-za-re-vič, and Marc Luy, Journal of health and Social Be-ha-vi-our, 2024 DOI: https://doi.org/10.1177/00221465241291847
Rückfragehinweis: Sven Hartwig Leiter Öffentlichkeit & Kommunikation Österreichische Akademie der Wissenschaften T +43 1 51581-1331 sven.hartwig@oeaw.ac.at Wissenschaftlicher Kontakt: Marc Luy Direktor des Instituts für Demographie Österreichische Akademie der Wissenschaften T +43 1 51581- 7701 marc.luy@oeaw.ac.at
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