Klimastreik - Forscher: "Nichts tun ist teuer und wird immer teurer"
Anlässlich des seitens "Fridays For Future" organisierten 14. Klimastreiks haben am Freitag Vertreter der "Scientists For Future" klare Worte an die Politik gerichtet: Seit 1990 gebe es "keinen Strukturwandel", die Emissionen sind auf gleichem Niveau wie damals und die meisten Impulse in der heimischen Klimapolitik kamen seither von der EU, so etwa der Klimaforscher Daniel Huppmann. "Nichts tun ist teuer und wird immer teurer", sagte die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter.
Die versammelten Wissenschafterinnen und Wissenschafter machten bei einer Pressekonferenz im Presseklub Concordia in Wien klar, dass man "keine Meinungen, sondern Fakten" präsentiere. Aus wissenschaftlicher Sicht sei seit langem glasklar, was sich weltweit tut, und dass menschliche Aktivitäten der Hauptantreiber der Klimaerhitzung ist. Die Forderungen der "Fridays For Future"-Bewegung seien daher "richtig, und wir erklären, warum das so ist", so Winiwarter.
Der heurige "Katastrophensommer" mit großflächigen Waldbränden, auch in Regionen, die dafür sonst kaum bekannt sind, mit den jüngsten verheerenden Wirbelstürmen im Mittelmeerraum, aber auch mit den Flutkatastrophen im Süden Österreichs, gefolgt von einer Unzahl an Hangrutschungen, mache die Dringlichkeit umso sichtbarer. Für die Politik gebe es eigentlich "keinen Grund, nichts zu tun", betonte Winiwarter: "Klimaschutz ist menschenfreundlich", denn Ökosysteme können mit den beispiellos rasant fortschreitenden Veränderungen ebenso wenig mithalten wie Menschen.
Tatsächlich drohe man an finanzielle und physiologische Grenzen zu kommen, was Möglichkeiten zur Anpassung an die sich erwärmende Welt betrifft - auch in unseren Breiten, betonte Birgit Bednar-Friedl von der Universität Graz. Momentan beträgt das durchschnittliche Temperatur-Plus in Österreich im Jahresschnitt rund 1,5 Grad Celsius. Wird der Zuwachs noch größer, würden sich die drohenden Schäden nicht linear, sondern exponentiell auf das drei- bis sechsfache der aktuellen Summen erhöhen, so die koordinierende Leitautorin des 2022 veröffentlichten 6. Sachstandsberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zum Thema Klimawandelfolgen und Anpassung in Europa.
Sachstandsbericht wird 2025 präsentiert
An den Erkenntnissen des IPCC orientiert man sich auch beim aktuell in Ausarbeitung befindlichen zweiten Österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2), an dem u.a. der am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien tätige Daniel Huppmann federführend mitschreibt. Die Gemeinschaftsarbeit der rund 150 Wissenschafterinnen und Wissenschafter soll im Juni 2025 präsentiert werden. Mit Blick Richtung 2040 sei klar, dass deutlich mehr passieren müsse als in den vergangenen Jahrzehnten.
Denn erst in den vergangenen Jahren habe sich das zarte Pflänzchen der österreichischen Klimapolitik ein wenig weiter entwickelt. So etwa mit dem Ansatz der CO2-Bepreisung im Kombination mit dem Klimabonus, dem "Erneuerbaren-Ausbaugesetz" oder dem "Klimaticket", so Huppmann: "Auf der anderen Seite reicht das aber nicht. Wir haben noch immer kein Klimaschutzgesetz."
Das bräuchte man aber, um die Pläne zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2040 auch umsetzen zu können. Leider habe die ÖVP vor wenigen Tagen auch das eigentlich bereits paktierte "Erneuerbare-Wärme-Gesetz" (EWG) wieder auf die lange Bank geschoben. Das wäre aber "ein wahnsinnig wichtiger Schritt zur Dekarbonisierung unserer Heizungen", kritisierte Huppmann: "Wir müssen Öl und Gas aus unseren Wohnungen herauskriegen."
Schlechtes Zeugnis für politische Performance
Der politischen Performance kein gutes Zeugnis stellte auch der Leiter des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz, Karl Steininger, aus. Dabei gehe es bei Klimaschutz letztlich darum, das Wohlbefinden der Menschen zu erhöhen: Weniger Fahren mit dem Pkw führt zu mehr Bewegung, mehr Platz in den Städten und weniger Ausgaben für die ohnehin vielfach belasteten Haushalte. Ein investierter Euro in dem Bereich rechne sich in der Regel 20-fach.
Es gelte nun endlich, den "Hausverstand in Zukunft zu richten für ganz Österreich". Dass dazu die notwendigen Impulse von der bundespolitischen Ebene kommen werden, bezweifeln die Forscherinnen und Forscher jedoch. Daher brauche es auch Visionen zur Emissionsreduktion in einzelnen Institutionen und gemeinschaftliche zivilgesellschaftliche Ziele. Selbst als Bürgermeister könne man zur Zeit mitunter mehr bewegen, als der Bundeskanzler, so Winiwarter. "Die Polarisierung hilft uns nicht", sagte Steininger.
In der Bevölkerung sei man teilweise schon weiter als von der Politik manchmal vermutet, so die Verkehrsökonomin Stefanie Peer von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Studien würden etwa zeigen, dass mittlerweile nur noch eine kleine Minderheit zum Beispiel Ideen zum "Roadpricing" wirklich ablehne. Außerdem zeige sich: Je mehr man informiert, desto höher wird die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen wie "Tempo 100" oder Initiativen zu autofreien Städten. In diesen Bereichen nichts zu tun, bringe "große Kosten für die Gesellschaft", so die Ökonomin.
Service: https://at.scientists4future.org