Freizeitpädagogen protestieren gegen neues Berufsbild
70 Organisationen und zivilgesellschaftliche Initiativen wollen am Donnerstag beim "Aktionstag Bildung" für "inklusive Bildung und für bessere Aufwachs-, Lern- und Arbeitsbedingungen im Bildungsbereich" auf die Straße gehen. In Wien und fünf weiteren Landeshauptstädten sind Demos und Aktionen im öffentlichen Raum angekündigt. Freizeitpädagogen wollen indes wegen der geplanten Reform ihres Berufsbildes demonstrieren, in Wien und Graz wird gestreikt.
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Neu: Neufassung mit Schwerpunkt auf Aktionstag Bildung und Kürzungen
Die Organisatoren des Aktionstags - von Bildungsinitiativen und Lehrergewerkschaften verschiedenster Couleur über Elternvertreter und Behindertenverbände bis zur Kindergarten-Plattform Educare und der Österreichischen HochschülerInnenschaft - wollen mit ihren Aktionen auf "Versäumnisse, Fehlentwicklungen, Missstände und Baustellen" im Bildungssystem aufmerksam machen. Die Arbeits- und Lernbedingungen würden in allen Bildungsbereichen schlechter, es gebe Ungerechtigkeiten beim Zugang zu guter Bildung, zu viel Bürokratie und Missmanagement im Personalbereich, so die Kritik.
Als Ziel nennen die Initiatorinnen und Initiatoren auf ihrer Homepage https://aktion-bildung.at/ "gemeinsame Bildung, die niemand ausgrenzt und zurücklässt". Außerdem brauche es "bessere Lern-, Studier- und Arbeitsbedingungen im gesamten Bildungsbereich". Der Aktionstag soll zu einer breiten und öffentlich geführten Bildungsdiskussion beitragen, die die Verantwortlichen in Nationalrat und Landtagen zum Handeln bringt, so die Hoffnung.
Dafür haben die Mitglieder des Aktionsbündnisses in Wien, Salzburg, Linz, Innsbruck und Bregenz am Nachmittag u.a. Kundgebungen angekündigt. In Graz und Klagenfurt wird auf andere Formate wie Aktions-Picknicks oder die Übergabe von Protestbriefen an die Bildungsdirektion gesetzt.
Für generelle Bildungsreformen demonstrierten vor dem Vorarlberger Landhaus über 300 Lehrpersonen, Kindergarten- und Freizeitpädagogen, viele dem Motto "Baustelle Schule" entsprechend in Warnweste und Bauhelm. Die Personalsituation in der Bildung sei in Vorarlberg aufgrund der Abwanderung vieler Pädagogen in die besser bezahlende Schweiz noch angespannter. Das verbliebene Personal leide unter hohem Druck, mangelnder Unterstützung und Wertschätzung. "Es ist ein Teufelskreis, denn die schlechten Bedingungen erschweren die Nachwuchssuche", so Pflichtschul-Personalvertreter Willi Witzemann. Man habe die Bundes- und Landesregierung wiederholt zum Handeln aufgefordert, "es hat sich aber nichts geändert", erklärte Witzemann den "öffentlichen Hilferuf". Unterstützt wurde der Protest von der SPÖ, Grünen und NEOS. ÖAAB-Vertreterin Veronika Marte verwehrte sich dagegen, die Schuld bei der Landesregierung zu suchen. Vorarlberg investiere aus dem Landesbudget weit mehr in die Schulen als andere Bundesländer.
NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre zeigte per Aussendung Verständnis für die Anliegen beim Aktionstag. "Seit Jahrzehnten wird in Österreich strategie- und visionslos am Schulsystem herumgedoktert - ohne dass sich dadurch etwas für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte oder Direktorinnen und Direktoren zum Besseren verändert." Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) müsse endlich umfassende Bildungsreformen "auch gegen den Willen der Bremser und Blockierer" umsetzen.
Bildungsministerium verweist auf gesetzte Initiativen
Im Büro des Ministers wurde auf APA-Anfrage unterdessen auf bereits gesetzte Initiativen verwiesen. "Wir sehen uns darin bestärkt die ergriffenen Initiativen weiter voranzutreiben und die zuständigen Länder anzustoßen, weiterhin aktiv zu sein." Als Beispiele wurden die Lehrkräfteoffensive "Klasse.Job" oder die erstmalige Verankerung des psychosozialen und administrativen Unterstützungspersonals im Finanzausgleich genannt.
Von Grünen-Bildungssprecherin Sibylle Hamann hieß es in einer Aussendung, die Forderungen nach einem gemeinsames Bildungssystem für alle Kinder bis 15 Jahre, mehr Inklusion, mehr Chancengerechtigkeit und viele weitere Anliegen würden von den Grünen vollumfänglich unterstützt. Speziell die Forderung nach mehr Unterstützungspersonal in den Schulen habe allerhöchste Priorität.
Die Freizeitpädagoginnen und Freizeitpädagogen an ganztägigen Schulen demonstrieren unterdessen erneut gegen eine Reform ihres Berufsbilds. In Wien und Graz finden sogar Streiks statt, teils sind auch Betriebsversammlungen geplant. Die Kritik der Freizeitpädagogen richtet sich gegen eine geplante Umwandlung ihres Berufsbilds zu Assistenzpädagogen, zuletzt war auch die Bezeichnung Assistenz- und Freizeitpädagogen im Gespräch.
Derzeit sind sie an ganztägigen Schulen für die Gestaltung des Freizeitteils zuständig - künftig sollen sie auch Lernzeiten übernehmen bzw. auch im Unterricht mithelfen dürfen. Laut einem ersten Entwurf sollen sie dafür künftig anders als bisher Matura haben müssen, umgekehrt würde die Dauer ihrer Ausbildung von zwei auf ein Semester halbiert. Bisheriges Personal soll demnach zwar die Matura nicht nachmachen müssen und grundsätzlich übernommen werden - die rund 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden allerdings aus den diversen Vereinen bzw. gemeindenahen Trägern in ein öffentliches Dienstverhältnis überführt.
"Unfriendly takeover"
Walter Marschitz, Geschäftsführer der Sozialwirtschaft Österreich, sprach am Donnerstag bei einer Pressekonferenz von einem "unfriendly takeover" des Bereichs. Freizeitpädagogen würden derzeit zahlreiche Zusatzaufgaben (Früh- oder Ferienbetreuung, Essensbestellung) erfüllen und direkt am Standort mit den Schulleitungen kooperieren, meinte Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm. Eine Organisation der Tagesbetreuung über die Bildungsdirektionen würde die lokale Vielfalt zerstören. Mario Rieder, Geschäftsführer von "Bildung im Mittelpunkt" mit 2.300 Angestellten in Wien, warnte vor Qualitätseinbußen durch die Umstrukturierung. Die diskutierte Erfordernis einer Reifeprüfung schrecke jetzt schon Bewerberinnen und Bewerber ab und es gebe keine Rechtssicherheit, ob und in welcher Form bestehendes Personal übernommen werde.
Im Bildungsministerium zeigte man sich auf APA-Anfrage gesprächsbereit. Man habe gerade erst Gespräche mit den Ländern gestartet, um zu klären, ob diese die Verantwortung für das Personal übernehmen wollen. Klar sei jedenfalls, dass alle bereits als Freizeitpädagogen Angestellten auch in Zukunft "einen attraktiven Job mit einem attraktiven Gehalt" hätten.
"Das Ganze wird nur passieren, wenn alle an Bord sind", betonte auch Grünen-Bildungssprecherin Hamann. Die Inhalte der Reform samt dauerhafter Bestandsfinanzierung verteidigte sie. Wenn die Finanzierung nicht mehr an den Gemeinden hänge, sei das ein Anreiz für einen Ausbau der Ganztagsschulen. Die Sorgen der Träger um Rechtssicherheit bei der Übernahme in den öffentlichen Dienst sind für Hamann verfrüht, "wir sind noch fünf Etappen davor". Die Qualität würde laut Hamann durch die geplante Reform steigen, brächte diese doch erstmals einheitliche Ausbildung und Zugangsvoraussetzungen. Die Matura als Zugangsvoraussetzung wiederum sei nicht fix, man werde auch Personal mit anderen Ausbildungen etwa im Kreativ- oder Sportbereich brauchen. Die wahrscheinlichste Variante sei, dass die Ausbildung für Personen ohne Matura länger dauert.