Die Vergessenen: Neue Initiative will Komponistinnen eine Bühne geben
Frauen komponierten über die Jahrhunderte hindurch - und doch finden sich bis heute kaum Werke aus der Hand von Komponistinnen auf den internationalen Konzertbühnen. Die Wiener Initiative "Hidden Harmonies" will dies nun ändern helfen. So wurden in der legendären Synchron Stage am Wiener Rosenhügelgelände Werke von österreichischen Tonsetzerinnen eingespielt, deren Namen noch allenfalls Menschen mit hohem Spezialwissen ein Begriff sind.
"Ich war auf der Suche nach einem Projekt von Relevanz", begründete Herbert Tucmandl als Chef der Synchron Stage Vienna bei der Präsentation des Vorhabens die Initiative: "Meine Hoffnung, hier Juwelen zu finden, war vollends berechtigt." Und man wolle einen ersten Anstoß für Veränderung bieten.
Von vielen Komponistinnen findet man kaum noch Werke
Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von Sylvia Sagmeister, die sich zu Beginn auf die Suche machte. "Und ich war schockiert, von wie vielen Komponistinnen man überhaupt keine Werke mehr findet." Letztlich seien neun Komponistinnen übergeblieben, deren Arbeiten von der Wiener Klassik bis zum 20. Jahrhundert reichen und von denen genügend Notenmaterial vorhanden ist.
Bereits im vergangenen Sommer hat man begonnen, mit Künstlerinnen und Künstlern der mdw unter Leitung von Stefan Mendl die vergessenen Werke einzuspielen und auf www.hiddenharmonies.at zur Verfügung zu stellen. Zu den aufgeführten Tonsetzerinnen gehören etwa die mit Mozart befreundete, klavierspielende Josepha von Auernhammer (1758-1820), Kitty von Escherich (1855-1916), die einen Musiksalon führte, oder Vilma von Webenau (1875-1953), die erste Privatschülerin Arnold Schönbergs. "Es ist sehr erstaunlich, dass man den Namen Webenau praktisch nicht hört, wenn man vom Kreis der Schönberg-Schüler spricht", zeigte sich Sagmeister verblüfft, wie sehr das Wirken von Frauen im Musikbetrieb lange Zeit negiert wurde.
Auch die Zemlinsky-Schülerin Johanna Müller-Hermann (1868-1941) oder die erst 1992 verstorbene Germanistin Maria Anna Gary, die sich ihrer Kunst in der Pensionierung widmen konnte, gehören zum Kreis der nun Wiedergefundenen. Hier reiht sich auch die eher als Außenseiterin arbeitende Petronella Göring (1906-1968) ein, die sich in ihrem Oeuvre als Traditionalistin positionierte.
Derzeit nur nach Kammermusik gesucht
Bis dato hat man sich bei "Hidden Harmonies" auf Kammermusik konzentriert, hofft aber, sich künftig auch den größeren, symphonischen Formaten widmen zu können. Hier setzt man auf Sponsoren oder gegebenenfalls Förderungen für das bis dato rein privat finanzierte Vorhaben.
Nicht zuletzt dank Initiativen wie der "Hidden Harmonies" werde ein neues Kapitel der Musikhistorie aufgeschlagen, dessen Folgen für unser Verständnis der Geschichte fundamental seien, betonte Musikwissenschafterin Irene Suchy: "Es geht nicht um ein Damenzimmer in Ergänzung zu einem Herrenzimmer. Es muss das ganze Haus der Musikgeschichte neu gebaut werden."
Service: www.hiddenharmonies.at