Unwetter: Klimawandel nicht in Haupt-, aber in Nebenrolle
In der aktuellen Situation mit Extremniederschlägen über mehrere Tage hinweg in großen Teilen des Landes spielt der Klimawandel zwar nicht die Haupt-, aber eine nicht unerhebliche Nebenrolle. So ist zwar die Ausgangssituation mit der Vb-Wetterlage bzw. dem "Italientief" mehr oder weniger altbekannt. Zu dessen diesmal enormer Größe und Sättigung mit Feuchtigkeit trägt der menschgemachte Klimawandel aber sehr wohl bei.
Über den Sommer - erneut ein Rekordsommer in vielen Teilen Europas - haben sich im Mittel- und Schwarzen Meer enorm hohe Wassertemperaturen aufgebaut. Am Ende der vergangenen Woche lag man dort drei bis fünf Grad über dem langjährigen Schnitt. Das sich aufbauende große Tiefdruckgebiet sorgte wiederum für starke Winde - auch über den großen und stark erwärmten Wasserflächen. Sind diese auch noch mehr in Bewegung, erhöht das die so und so stärkere Verdunstung weiter, erklärte der Meteorologe Leopold Haimberger kürzlich der APA.
Rund sieben Prozent mehr Feuchtigkeit kann die Luft pro zusätzlichem Grad Celsius aufnehmen, wenn die Voraussetzungen da sind, dass dieses zusätzliche Potenzial auch ausgeschöpft wird. Die Erderhitzung erhöht somit also einerseits die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Luft mit mehr Wasser anreichert, und andererseits schafft sie bessere Voraussetzungen, dass die Feuchtigkeit auch noch in der warmen Luft über große Distanzen transportiert wird.
Europa: Hotspot der beschleunigten Temperaturzunahme
Durch die insgesamt gestiegenen Temperaturen - Europa ist laut den Berichten des Weltklimarates (IPCC) einer der Hotspots der beschleunigten Temperaturzunahme - sind also die Voraussetzungen besser, dass sich bei derartigen Wetterlagen, die Österreich von jeher starke Niederschläge bescheren, noch mehr Feuchtigkeit über Mitteleuropa ergießt. Ebenda trifft bei einer Vb-Zugbahn eines "Italientiefs" die warme, feuchte Luft auf jene kalten Luftschichten, die das Tief ursprünglich zum Ausweichen in Richtung Süden genötigt haben. Passiert das, regnet es massiv ab.
Im aktuellen Fall hatte man es mit einem besonders ausladenden Tief zu tun, das laut Haimberger auch noch durch die sehr warme Ostsee von Norden her mitversorgt wurde. Ein Faktor, der neben der schieren Größe für Österreich und seine Nachbarländer in den vergangenen Tagen große Probleme verursachte - und das auch noch weiter tut -, ist die Langsamkeit, mit der sich das Tief fortbewegt. Zieht es nämlich so wie dieses Mal sehr gemächlich in Richtung Norden und Nordosten, verharrt es dementsprechend lange über unseren Breiten. Dann regnet es sich über mehrere Tage hinweg richtig ein. Was sich leider hinlänglich beobachten ließ und noch lässt.
Die Zahl der Vb-Wetterlagen schwankt stark
Zusammenfassend beschreibt der Leiter der Klima-Folgen-Forschung an der Geosphere Austria, Marc Olefs, den Zusammenhang zwischen Vb-Wetterlagen und der Klimaerwärmung in einem aktuellen Factsheet: "Die Zahl der Vb-Wetterlagen schwankt stark, in den letzten Jahrzehnten gibt es keinen eindeutigen Trend in der Häufigkeit. Aber: Die 50 stärksten Niederschlagsereignisse in Zusammenhang mit Vb-Wetterlagen in den letzten Jahrzehnten zeigen einen Anstieg der Niederschlagssumme am Alpennordrand von rund 20 Prozent bei einer Zunahme der Häufigkeit von 13 Prozent." Alles in allem schiebe der menschengemachte Klimawandel die durchschnittliche Position des Polarjets zwar "weiter in Richtung Norden", was die Bildung von Vb-Wetterlagen langfristig eher unwahrscheinlicher macht. "Andererseits erhöht sich in einer wärmeren Atmosphäre das Wasserhaltevermögen, dadurch können die einzelnen Ereignisse intensiver ausfallen", so der Experte.