Bei Schulwahl auch starke regionale Unterschiede
In Österreich spielt die soziale Herkunft eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über den weiteren Bildungsweg nach der Volksschule. Kinder von Eltern mit Matura oder Hochschulabschluss wechseln mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit ins Gymnasium als Kinder mit bildungsfernem Hintergrund - selbst bei gleicher Leistung. Dieser Mechanismus ist schon lange bekannt. Aber auch regionale Herkunft spielt eine Rolle, zeigt eine Studie der Pädagogischen Hochschule (PH) Steiermark.
Aufbauend auf einer Vorgängerstudie wählte das Forschungsteam zehn Volksschulen in der Steiermark aus und führte dort Gruppeninterviews mit rund 225 Kindern sowie Lehrkräften und Schulleitungen bzw. Telefoninterviews mit Eltern, so PH-Forschungsmitarbeiterin Elisabeth Zehetner bei einem Pressegespräch von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" am Mittwoch. Dabei wurden drei Cluster gebildet: Ländliche Regionen, Bezirkshauptstädte sowie Graz, wobei in letzterem erneut in innerstädtische und Randbezirke unterteilt wurde.
Die Mittelschule hat einen hohen Stellenwert in Kleinstädten
In abgelegenen Gebieten würden fast alle Kinder einer Volksschule in die lokal nächstgelegene Mittelschule wechseln, meinte Zehetner. "Da macht sich niemand große Gedanken." Kinder würden diese unabhängig von ihrer Leistung besuchen, die Mittelschule habe dort praktisch den Charakter einer Gesamtschule. Diese Schulen würden oft spezielle Schwerpunktklassen für die unterschiedlichen Interessen der Kinder anbieten. Ganz generell würde diese Einrichtungen als durchaus gleichwertige Basis für weiterführende Bildungswege gesehen - obwohl in der Praxis mehr Kinder als in der Stadt nach der Mittelschule eine Lehre beginnen wollen.
Auch in den Kleinstädten habe die Mittelschule einen hohen Stellenwert und gelte als gleichwertige Gymnasiums-Alternative, so Zehetner. Bei der Schulwahl würden neben der räumlichen Nähe vor allem Interessen und Begabungen der Kinder eine größere Rolle spielen, auch weil hier ein größeres Angebot an Schulen mit unterschiedlichen Schwerpunkten wie IT, Sprachen oder Sport besteht.
Für Grazer Kinder geht es weitgehend ins Gymnasium
Ganz anders sei es in Graz: In Volksschulen, die vor allem von Kindern mit höherem sozialen Hintergrund besucht werden, gebe es eine weitgehend ungebrochene Orientierung am Gymnasien. Diese sei auch an Schulen mit durchmischter Schülerschaft stark. "Mittelschulen werden nicht als gleichwertige Alternative angesehen." Ganz anders an Einrichtungen mit einem hohen Anteil an Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache bzw. aus Elternhäusern mit niedrigem sozialen Status. Hier besucht ein großer Teil die Mittelschule - "diese Wahl wird auch gar nicht weiter thematisiert".
An diesen Schulen gebe es aber auch andere Gruppen, wenn auch in geringerem Ausmaß. So sei ein Teil etwa durchaus leistungsorientiert und strebe an eine AHS. Eine dritte Gruppe wiederum sei "ratlos": Diese wünsche sich eine bessere Schule als die wohnortnächste Mittelschule, habe aber wenig Möglichkeit zur Orientierung und auch wenig Ahnung über die Möglichkeiten.
Benachteiligte Familien auffangen
Die nötige Beratung bekommen generell aber eher Eltern, die das aktiv einfordern, konstatierte die Forscherin - und das seien ohnehin jene mit höheren sozialen Hintergründen oder höheren Bildungsabschlüssen. Daher sehe man es als wichtig an, mit Bildungs- und Berufsorientierung schon an den Volksschulen anzusetzen und aktiv über Möglichkeiten zu informieren, so Zehetner. "Das wäre vor allem für Kinder aus benachteiligten Familien wichtig." Profitieren könnten aber auch jene, die nur am Gymnasium orientiert sind, dort aber von der Leistung her eventuell abfallen würden. In den neuen Lehrplänen seien die Grundsteine dafür schon gelegt, müssten aber auch mit Leben erfüllt werden. Ebenfalls eine Idee sei es, Mittelschulen zu forcieren, die auf ein höheres Leistungsniveau abzielen, aber auf eine positive Lernumgebung ohne Leistungsdruck setzen und von Kindern mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen besucht werden. "Die Daten zeigen, dass die Nachfrage da wäre."