Reflektierende Sandsäcke sollen Zeitgewinn bei Klimaerwärmung bringen
Um den CO2-bedingten, weltweiten Temperaturanstieg einzubremsen und auf 1,5 Grad zu begrenzen läuft den Entscheidungsträgern die Zeit davon. Der tschechisch-österreichisch Physiker Radko Pavlovec hat ein Projekt entwickelt, das mit Hilfe von reflektierenden Sandsäcken einen Zeitgewinn herausholen will. Sein "Lumobag"-System wurde beim interdisziplinären Workshop "Science Moonshot 2022" in München vorgestellt.
Die Lumobags sind aluminiumbeschichtetes Sandsäcke, die - großflächig in verschiedenen Wüstengebieten der Erde verlegt - nach Pavlovec' Berechnungen ausreichend Sonnenenergie reflektieren könnten, um die weltweiten Treibhausgas-Emissionen zu kompensieren. Pavlovec geht davon aus, dass bei dem weltweit aktuell prognostizierten CO2-Ausstoß eine jährlich mit LumoBags ausgestattete Fläche etwa halb so groß wie jene von Österreich (40.000 - 45.000 Quadratkilometer) notwendig wäre, um die Temperatur sofort auf dem derzeitigen Niveau zu stabilisieren.
40.000 Quadratkilometer Lumobags bis 2031 möglich
Das Ziel von 40.000 Quadratkilometer jährlich kann laut Ausbauplan erstmals 2031 erreicht werden. Wenn bereits in den Jahren davor bedeutende Flächen errichtet werden, kann innerhalb von fünf bis zehn Jahren eine Trendumkehr bei der Temperaturentwicklung vor dem Erreichen der 1,5-Grad-Grenze realisiert werden. Pavlovec betonte gegenüber der APA, das Projekt sei keinesfalls ein Ersatz für die Dekarbonisierung der Erdatmosphäre. "Es ist eine reine Notmaßnahme. Wir können das auch nicht ewig machen."
Pavlovec und seine Frau, die ehemalige Grazer Gemeinderätin Andrea Pavlovec-Meixner (Grüne), haben bei dem Intensiv-Workshop in München mit Hilfe von 45 Experten und Wirtschaftsfachleuten auch ein Geschäftsmodell entwickelt, wie mithilfe von Crowdfunding, Förderungen, CO2-Zertifikatshandel und einem Franchisemodell die Realisierung der ehrgeizigen Idee gelingen könnte. Der Preis für einen Lumobag ist mit fünf Euro veranschlagt. Bei einer Belegung der geplanten Flächen würde das eine jährliche Gesamtsumme in dreistelliger Milliardenhöhe bedeuten.
Verhandlungen über ersten Standort laufen bereits
Für den Anfang soll noch heuer - vermutlich in Spanien - eine Fläche von 16 Quadratkilometern mit Lumobags ausgestattet werden. Die Verhandlungen über den Standort sind noch im Laufen. Pavlovec zufolge würde diese Fläche den CO2-Ausstoß eines 2.500-Megawatt-Kohlekraftwerks kompensieren. Dieser Effekt sollte laut Pavlovec mithilfe von Satellitendaten nachweisbar sein und so helfen, Unternehmen und Staaten überzeugen, in verschiedenen Wüstengebieten der Erde - vor allem in der Sahara und in Australien - die erforderlichen Flächen mit den reflektierenden Sandsäcken auszustatten.
Bei der Entwicklung des Konzepts wurde eine Vielzahl von Aspekten miteinbezogen, wie etwa die Widerstandsfähigkeit der verlegten Sandsacke gegen Witterungseinflüsse wie Stürme, inklusive Wartungsmöglichkeiten, die Möglichkeit, auch topografisch anspruchsvollere Flächen reflektierend zu machen. Das Entwicklungsteam kam zu dem Schluss, das zur Herstellung der Lumobags bereits bestehende Produktionsstrukturen ausreichen sollten.
Rücksicht genommen wurde bei dem Konzept auch auf die Erhaltung der Biodiversität in den betroffenen Gebieten. Zentrale Wüstengebiete seien sehr ähnlich strukturiert. Wenn eine Spezies auf einer so gleichförmigen Fläche lebt, lebt sie auch anderswo in der Wüste. Wir können davon ausgehen, dass für sämtliche dort vorkommende Spezies ausreichend Platz zum Ausweichen vorhanden sei, so Andrea Pavlovec-Meixner.
Der aus dem heutigen Tschechien stammende Physiker und selbstständige Energie-Experte Radko Pavlovec war von 1998 bis 2012 Anti-Atom-Beauftragter des Landes Oberösterreich. Andrea Pavlovec-Meixner war von 2008-2021 Grazer Gemeinderätin. Sie ist heute Leiterin der Grazer Regionalstelle im Naturschutzbund und als PR-Beraterin tätig.