Naturkatastrophen fördern laut Med Uni Graz Pilzinfektionen
Nach Waldbränden, Stürmen, Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Überschwemmungen kommt es zu mehr Fällen von Infektionen durch krank machende Pilze. Das geht aus einer internationalen Studie hervor, die Martin Hönigl von der Medizinischen Universität Graz initiierte. Durch Wind und Rauch nach Naturkatastrophen werden Sporen weiter verbreitet, Feuchtigkeit begünstigt die Vermehrung. Es brauche flächendeckende Diagnose- und Therapiemöglichkeiten bei Pilzinfektionen.
Infektionen durch Pilze, die teilweise lebensbedrohlich sein können, seien laut Hönigl lange nicht im Fokus der WHO gewesen. "Das ändert sich jetzt. Dafür war diese Arbeit einmal notwendig", unterstrich der Infektiologe. Bei der Studie wurden über 50 wissenschaftliche Arbeiten zusammengetragen, die einen Zusammenhang zwischen Naturkatastrophen, größtenteils in den USA und Südostasien, und Pilzansteckungen prüften, die beispielsweise Atemwegserkrankungen auslösen können.
Platz- oder Schürfwunden erhöhen Infektionsrisiko
Durch Stürme wie Hurrikans oder den Rauch nach Waldbränden und Vulkanaktivitäten werden Pilzsporen weitläufig verteilt. Hinzu kommt, dass nach tragischen Ereignissen schwere Verletzungen bei Menschen wie Platzwunden oder Abschürfungen das Infektionsrisiko erhöhen, ist in der Studie zu lesen, die im März im britischen Medizinjournal "The Lancet" publiziert wurde. Im Ausnahmezustand können Medizinerinnen und Mediziner Pilzbefall übersehen. Weiters begünstigen Feuchtigkeit und Nässe in Folge von Überschwemmungen die Vermehrung der Pilze. Ein hohes Risiko stellen in diesen Fällen modrige und schimmlige Gebäude dar, wenn sie nicht getrocknet werden.
"Überflutungen gibt es bei uns in Österreich genau so, hier kann mehr getan werden", sagte Hönigl im Gespräch mit der APA. Zwar sei Europa in der glücklichen Lage, weniger etablierte Pilzerkrankungen zu haben, "das kann sich aber in den nächsten Jahrzehnten ändern". Heute sei Pilzbefall in unseren Breiten vor allem für immungeschwächte Menschen, etwa Diabetiker, gefährlich. "Auf der Lungenambulanz sehen wir schon zunehmende Patientenzahlen", so Hönigl, noch sei die Lage in Österreich aber nicht dramatisch.
Die nun veröffentlichte Studie soll ein Anstoß sein, die Pilzdiagnostik nach extremen Naturereignissen zu verbessern und Behandlungen weltweit zugänglich zu machen. Die Daten bezogen sich bisher fast ausschließlich auf Nord- bis Mittelamerika und Südostasien. Dort treten gehäuft Naturkatastrophen auf, es fehlt aber in vielen Teilen der Welt auch die Dokumentation. Laut Hönigl sei nach dem türkisch-syrischen Erdbeben 2023 keine einzige Infektion gemeldet worden - "das ist absolut unrealistisch", befand der Mediziner, der sechs Jahre lang Präsident des Europäischen Verbands für Medizinische Mykologie (Pilzwissenschaft, Anm.) war.
Infektionsgeschehen in Echtzeit überwachen
Zukünftig sei geplant, das Infektionsgeschehen in Echtzeit zu überwachen, um rascher Konsequenzen ziehen zu können. Gesundheitspersonal in Krisengebieten wie "Ärzte ohne Grenzen" sollen künftig schnell und einfach auch Pilzinfektionen erkennen und behandeln können. "Ich würde die Studie definitiv als Startschuss sehen, wir wollen weiterhin bei Diagnostik und Überwachung involviert bleiben", sagte Hönigl.
Teil der Studie waren neben Naturkatastrophen als Folge des Klimawandels auch direkte Auswirkungen der Erderwärmung auf Pilzpopulationen. Diese können sich rasch an die gestiegenen Temperaturen anpassen, sie werden resistenter gegen Medikamente und das menschliche Immunsystem. Im Extremfall passen sie sich an die menschliche Körpertemperatur an, wodurch Ansteckungen wahrscheinlicher werden.
Service: Zur Studie "Impact of climate change and natural disasters on fungal infections": https://go.apa.at/dOFY8RaU