Wie man mit "Verschränkungs-Tausch" Quanteninformation weit überträgt
Künftig will man in Quantennetzwerken Quanteninformation mittels Photonen über weite Strecken abhörsicher übertragen. Doch Lichtteilchen gehen in Glasfasern bald verloren. Auffangen, verstärken und weiterleiten des Signals, wie es "Repeater" im herkömmlichen Internet machen, ist mit Quanteninformation nicht möglich. Innsbrucker Physiker stellten nun im Fachblatt "Physical Review Letters" den ersten Langstrecken-Quantenrepeater-Knoten für die Telekom-Standardfrequenz vor.
In Quantennetzwerken, in denen Quantenprozessoren oder -sensoren miteinander verbunden sind, will man sich die besonderen Phänomene der Quantenphysik zunutze machen, etwa für absolut abhörsichere Kommunikation. Ein solches Phänomen ist die Verschränkung: Zwei verschränkte Teilchen, etwa Photonen, bleiben über beliebige Distanzen miteinander verbunden. "Diese Verbindung ist so stark, dass die einzelnen Teilchen ihre eigenen Identitäten verlieren und ihre physikalischen Eigenschaften teilen", erklärte Ben Lanyon vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck gegenüber der APA.
Vorschlag für Quantenrepeater bereits vor 25 Jahren
Will man allerdings verschränkte Photonen über weite Distanzen in Glasfaserleitungen übertragen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie verloren gehen, exponentiell. Das ist auch in der klassischen Kommunikation via Glasfaser der Fall, weshalb man dort "Repeater" einsetzt. Doch die gegenüber äußeren Einflüssen überaus empfindliche Quanteninformation lässt sich nicht einfach kopieren und verstärken. Aus diesem Grund haben Physiker um Peter Zoller und Hans-Jürgen Briegel von der Universität Innsbruck vor 25 Jahren dafür spezielle Quantenrepeater vorgeschlagen. Dabei soll mithilfe von mit Materie verschränkten Lichtteilchen Quanteninformation über große Entfernungen verteilt werden.
Schritt für Schritt versuchen Innsbrucker Wissenschafter, dieses Konzept zu realisieren. Ben Lanyon und sein Team haben nun einen "Repeater-Knoten" vorgestellt und es damit "geschafft, die Kernfunktionalitäten dieser ursprünglichen Vision zu zeigen", betonte der Physiker. Dies seien "neue wichtige Schritte, um mit dem Aufbau von Quantennetzwerken zwischen Städten zu beginnen."
Ausgangspunkt des Konzepts ist ein in einer Ionenfalle gefangenes Kalziumatom. In dieses Atom wird mit Laser ein Quantenzustand eingeschrieben und gleichzeitig wird es angeregt, ein Photon auszusenden. Die Quantenzustände des Atoms und des Photons sind damit verschränkt und die Quanteninformation auch in der Polarisation (Richtung der Lichtschwingung) des Lichtteilchens gespeichert.
Weil das vom Kalziumatom ausgesendete Photon eine Wellenlänge von 854 Nanometer hat, wird es in einer Glasfaser rasch absorbiert und kommt nicht weit. Mithilfe eines nichtlinearen, mit einem starken Laser angestrahlten Kristalls ändern die Wissenschafter die Wellenlänge des Photons auf den für die Langstrecken optimalen Wert (1.550 Nanometer), der auch in klassischen Telekommunikationsnetzen verwendet wird.
In dem aktuellen Experiment sitzt in der Mitte einer 50 Kilometer langen Glasfaser mit den zwei Endpunkten A und B der "Repeater-Knoten" mit zwei in einer Ionenfalle gehaltenen Atomen. Das von dem einen Atom emittierte Photon wird zu A gesendet, jenes vom anderen Atom ausgesendete Photon zu B. "Damit hat man nun auf den beiden Teilstrecken jeweils eine Atom-Photon-Verschränkung zwischen Repeater-Knoten und A bzw. B", so Lanyon.
Durch eine spezielle Messung an den beiden Atomen im Knoten werden die zwei Atome verschränkt, die Physiker bezeichnen das als "entanglement swapping", also "Verschränkungs-Tausch". "Denn die Messung hat zur Folge, dass nun auch die beiden Photonen, die bei A und B landen, verschränkt sind", sagte der Wissenschafter. Sobald das der Fall sei, könne man viele Dinge damit tun, z. B. Quanteninformationen zwischen A und B teleportieren.
An den beiden Endpunkten der Strecke (A und B) sitzt derzeit noch jeweils ein Detektor und die Photonen gehen dort verloren. "Aber wir können noch immer die Verschränkung nachweisen", betonte der Physiker. Zukünftig sollen auch bei A und B Atome in Ionenfallen sitzen, damit die hergestellte Verschränkung jeweils gespeichert werden kann. "Sobald wir das haben, können wir uns vorstellen, viele weit entfernte Ionenfallen miteinander zu verbinden, um die Verschränkung an hunderten oder sogar tausenden Kilometern voneinander entfernten Endpunkten auszutauschen", sagte Lanyon.
Auch Übertragung über 800 Kilometer möglich
Mit Berechnungen konnten die Forscher auch zeigen, welche Systemverbesserungen noch notwendig sind, um mit dem gleichen Konzept eine Übertragung über 800 Kilometer möglich zu machen. Das würde es erlauben, Innsbruck und Wien mit einem Quantennetzwerk zu verbinden.
Service: http://dx.doi.org/10.1103/PhysRevLett.130.213601