Neue "Stolpersteine" in Graz erinnern an vertriebene Medizinstudenten
Mit der Verlegung von 39 "Stolpersteinen" wird am LKH-Universitätsklinikum Graz an jüdische Medizinstudierende erinnert, die 1938 von den Nationalsozialisten von der medizinischen Fakultät der Universität Graz vertrieben wurden. Von vielen der Studierenden ist das Schicksal unbekannt, einige machten im Ausland Karriere. Der Grazer Verein für Gedenkkultur hat nach dem Konzept des Kölner Künstlers Gunter Demnig in Graz bereits mehr als 300 solcher Messingtafeln verlegt.
Nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 wurden an der Universität Graz Jüdinnen und Juden Schritt für Schritt vom Hochschulbesuch ausgeschlossen. Bereits inskribierte jüdische Studierende wurden nicht sofort von der Uni verwiesen, sondern sukzessive vertrieben, heißt es zur jüngsten Verlegung vonseiten des Vereins für Gedenkkultur. Von den damals an der Medizinischen Fakultät der Universität Graz eingeschriebenen Medizinstudierenden waren 39 betroffen. Einigen gelang es noch, bis zum Ende des Sommersemesters 1938 ihr Studium abzuschließen.
Darunter auch der Sohn von Nobelpreisträger Otto Loewi
Unter ihnen befand sich beispielsweise Viktor Loewi. Er war der Sohn von Otto Loewi, der 1936 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde und von 1909 bis zur Vertreibung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1938 als Neurophysiologe in Graz lehrte. Viktor Loewi konnte sein Medizinstudium zwar noch abschließen, musste jedoch eine Verzichtsleistung zur Ausübung des Berufs versprechen. Nach seinem Vater Otto Loewi ist in Graz übrigens das Otto-Loewi-Forschungszentrum der Med-Uni Graz benannt.
Von vielen der Studierenden ist über die Fluchtgeschichten und Emigration nach wie vor wenig greifbar: Fritz Röhr konnte mit seiner Familie nach Palästina auswandern, auch Alois Mandel gelang die Flucht und lebte später als Kaufmann in Tel Aviv. Von Kurt Bermann weiß man jedoch beispielsweise nur, dass er sein Studium in Graz im zweiten Semester abbrechen musste, von Kolman Gordin, dass er als jüdischer Partisan in Weißrussland kämpfte. Istvan Reich wurde 1945 aus dem KZ Dachau befreit, seine Namensvetterin Adela wurde 1942 im Ghetto Baranawitschy ermordet und Eugen Pillscher wurde in Serbien in ein jüdisches Zwangsarbeiterbataillon eingezogen und kam in diesem ums Leben.
Einige Studierende konnten ihre Ausbildung im Exil fortsetzen
Einige Studierende konnten ihre Ausbildung im Exil fortsetzen und wurden renommierte Fachvertreter, wie etwa Hans Herlinger. Er lehrte - wie sein ehemaliger Grazer Kommilitone Hans Rottenstein - später an der University of Pennsylvania. Lisbeth Hochsinger wurde Pflegewissenschafterin in England.
Wie das Centrum für Jüdische Studien an der Uni Graz herausgefunden hat, wurden bis zum Ende des NS-Systems an der Universität Graz auch 20 Professoren, an die 30 Dozenten, Assistentinnen und Assistenten entlassen. Neben Otto Loewi mussten auch die Nobelpreisträger Viktor Franz Hess, Erwin Schrödinger und der Landesrabbiner und Professor für semitische Philologie David Herzog die Universität verlassen und fliehen. Bereits 2023 wurden am Unicampus 15 entsprechende Stolpersteine verlegt.
Die jüngste Verlegung von Stolpersteinen am Grazer Universitätsklinikum soll speziell die aus Graz vertriebenen jüdischen Studierenden der Medizin zurück ins Gedächtnis holen. "Mit diesem Akt der Erinnerung setzen die Med Uni Graz, das LKH-Universitätsklinikum Graz und der Verein für Gedenkkultur ein klares Zeichen gegen das Vergessen und für eine Zukunft, die auf Respekt, Toleranz und Menschlichkeit basiert", so die Rektorin der Med-Uni Graz, Andrea Kurz.
Service - Die Uni Graz hat auf ihrer Homepage zur Universitätsgeschichte 'UniGraz_1585-tomorrow' einen digitalen Erinnerungsraum für die vertriebenen jüdischen Studierenden eingerichtet. Dort sind die teils erschütternd wenigen Eckdaten ihrer Lebens abrufbar: https://1585-tomorrow.uni-graz.at/de/#/about-us. Der Grazer Verein für Gedenkkultur bietet auch Gedenkspaziergänge. Das Angebot ist für Schul- bzw. Jugendgruppen kostenlos. Individuelle Führungen kosten 5 Euro pro Person. www.stolpersteine-graz.at/vermittlung