Fruchtfliegen-Kino soll bei Erforschung der Gehirnleistung helfen
Fruchtfliegen können mit ihrem Gehirn Gesehenes in Millisekunden, aber auch über einen längeren Zeitraum hinweg, verarbeiten. Was im Bereich von einigen hundertstel Sekunden bis hin zu mehreren Minuten im Fliegenhirn vor sich geht, untersucht Lukas Groschner am Gottfried Schatz Forschungszentrum der Med Uni Graz. Der Europäische Forschungsrat hat ihn dafür mit einem ERC Starting Grant in der Höhe von rund 1,3 Millionen Euro ausgestattet, teilte die Med Uni mit.
Menschliche Gehirne sind Supercomputer, die aus zig Milliarden Nervenzellen bestehen. Wer die Informationsverarbeitung in komplexen neuronalen Schaltkreisen wie dem menschlichen Hirn verstehen will, muss die Fähigkeiten der einzelnen Elemente kennen. Lukas Groschner vom Lehrstuhl für Molekularbiologie und Biochemie zieht dazu das Gehirn der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) als Untersuchungsobjekt heran. Mit seinen rund 150.000 Nervenzellen ist es im Vergleich zum Gehirn des Mensch bei weitem einfacher aufgebaut. Dadurch kann es aber auch leichter einen grundsätzlichen Einblick in die Mechanismen neuronaler Signalverarbeitung geben.
Goschner hat anhand dieses Tiermodells beispielsweise bereits die biophysikalische Grundlage entdeckt, wie einzelne Nervenzellen Signale addieren und multiplizieren. Für diesen Einblick in die Rechenleistung einzelner Nervenzellen wurde er bereits von der deutschen Neurowissenschaftlichen Gesellschaft ausgezeichnet. Im neuen ERC-Projekt soll die Erforschung zeitlicher Signalverarbeitung neuronaler Schaltkreise im Fliegengehirn vertieft werden.
Um die Verarbeitung visueller Reize des Fliegenhirns zu erforschen, schlägt Groschner eine Brücke zwischen Biophysik und Verhalten: Die Insekten werden hierfür zum Beispiel in einer Art Flugsimulator fixiert, wo ihnen computergenerierte Signalmuster vorgespielt werden. Während der Stimulation werden die Aktivitäten einzelner Nervenzellen und die Reaktionen des Tieres aufgezeichnet und analysiert.
Fokus auf drei Fragen
Im Projekt TemProdroMe (Temporal processing in Drosophila melanogaster) wollen die Forschenden sich in den kommenden fünf Jahren auf drei Fragen konzentrieren: Wie orchestrieren Nervenzellen im visuellen System die Verzögerung von Signalen, um die Bewegungsrichtung visueller Reize zu berechnen? Die zweite Frage untersucht, wie visuelle Informationen über mehrere Sekunden angesammelt werden, um darauf basierend Verhaltensentscheidungen treffen. Zuletzt will man beleuchten, wie das Gehirn ein Gedächtnis formen kann, das bei Immobilität über viele Minuten hinweg stabil ist, aber äußerst formbar wird, sobald man sich bewegt.
Lukas Groschner studierte Medizin an der Medizinischen Universität Graz und promovierte an der University of Oxford. Nach seiner Promotion wechselte er ans Max-Planck-Institut für Neurobiologie und forschte dort als Projektleiter an den Rechenleistung einzelner Nervenzellen. Seit Ende 2023 forscht er wieder in Graz und baut ein eigenes Labor - das Groschner-Lab - auf.