Psychologe entblößt in Buch Ausreden für klimaschädliches Verhalten
"Wieder etwas dazugelernt", kann man sich nach der Lektüre des Buches "Die Kunst der Ausreden" freuen: Nämlich 25 "erweiterte Erklärungen" - so nennt der Autor Thomas Brudermann psychologisch wirksame Ausreden, mit der man sich oft klimaschädliche Gewohnheiten schönredet. Dazu gehört etwa: Persönlichen Vorteil maximierendes rationales Verhalten, genau so wie irrationales Gebärden, klassisches Aufschieben und das allzeit bewährte Abschieben der Verantwortung in ferne Länder.
Kaum jemand ist "Klima- und Umweltfeind" und will die Erde zerstören, sondern die meisten Menschen wähnen sich als umweltschonend und halten ihr Verhalten für klimafreundlich, erklärt der Psychologe Thomas Brudermann, der am Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung der Universität Graz arbeitet. Dem stehen entgegen: "Flüge, Autofahrten, Fleischkonsum, Aluminiumkapselkaffeekauf und viele andere Entscheidungen, belasten unseren ökologischen Fußabdruck", schreibt er: "Als Menschen haben wir ein erstaunliches Talent dafür, Widersprüche in unserem Denken und Handeln zu ignorieren, aufzulösen oder achselzuckend zur Kenntnis zunehmen." Diese Paradoxa erklärt Brudermann anhand der 25 gängigsten Ausredenmechanismen auf sehr verständliche und humorvolle Art in handlichen Kapiteln.
Zusätzlich aufgelockert wird das Buch von Cartoons von Annechien Hoeben mit "Capybaras", das sind "Wasserschweine, und so ziemlich die freundlichsten Tiere, die man sich vorstellen kann", die oft sehr menschlich agieren. Etwa, wenn sie ihren vierstufigen Klimaplan darlegen: "Stufe 1: Wir sagen, es gibt keinen Klimawandel. Stufe 2: Klimawandel schadet uns nicht. Stufe 3: Wir sollten was tun, aber wir können nichts tun. Stufe 4: Wir hätten was tun sollen, aber jetzt ist es zu spät."
Persönlicher Vorteil im Vordergrund
In Kapitel Nummer Eins geht es etwa darum, wie man äußerst rational handeln kann und dennoch das Klima überstrapaziert, nämlich indem man seinen persönlichen Vorteil in den Vordergrund stellt. Gleich darauf illustriert Brudermann, wie paradox die Situation sein kann, indem er "die weitgehende Unfähigkeit, rational zu handeln" für "aus Klimasicht suboptimale Entscheidungen" verantwortlich macht.
Nach der Lektüre weiß man, was kognitive Dissonanzen sind (unangenehm empfundene Gefühlszustände, die durch unvereinbare Wahrnehmungen entstehen), und dass sie der Mensch in der Regel auf die einfachste Art umgeht: Indem man sich das Ganze einfach schönredet, anstatt seine Gewohnheit zu ändern.
Natürlich zerpflückt der Autor auch die gängige "... aber in China"-Ausrede, denn die im Vergleich zur EU mehr als doppelt so vielen dort lebenden Menschen emittieren freilich in Summe mehr als die zahlenmäßig viel kleinere Bevölkerung Österreichs, aber jeder Einzelne deutlich weniger. Außerdem entsteht dort ein beträchtlicher Teil der Emissionen bei der Produktion für Europa hergestellter Waren, wie Brudermann berichtet.
Ausreden einfach umdrehen
Zum Abschluss erklärt der Psychologe, wie man alle Ausreden umdrehen, und die Argumente für Klimafreundlichkeit heranziehen kann. Praktischerweise stellt er dies in einer übersichtlichen Tabelle dar.
Der Autor rät ausdrücklich davon ab, nach der Lektüre des Buches die sich zu unrecht als "Klimafreunde" deklarierenden Bekannten "direkt zu konfrontieren und ihnen besserwisserisch ihre Ausreden vorzuhalten". Stattdessen solle das Vorstellen der psychologische Mechanismen zum Verständnis der eigenen Entscheidungen (und der anderer) beitragen. "Wenn das auch zur Selbstreflexion und klimafreundlicheren Entscheidungen anregt, freue ich mich", so Brudermann. Er will auch kein Faktenwissen vermitteln, denn, "wenn es um klimafreundliches Verhalten geht, ist Faktenwissen keine besonders relevante Variable". Eher von Vorteil wäre "gut ausgeprägtes Handlungswissen". Jenes wird durch das Buch unkompliziert vermittelt.
Von Jochen Stadler/APA
Service: Thomas Brudermann: "Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben" (Illustriert von Annechien Hoeben), Verlag oekom, 22 Euro bzw. 17,99 Euro (elektronische Version), 256 Seiten