Problemzentriertes Lernen soll IT weiblicher und diverser machen
Frauen und Minderheiten werden derzeit durch Design und Gestaltung digitaler Technologien benachteiligt: Manche Algorithmen schlagen bei der Suche nach Führungskräften nur Männer vor, Chatbots reproduzieren stereotype Frauenbilder, Menschen aus bestimmten Gegenden bekommen schwerer einen Kredit, nennt Soziologin Elisabeth Anna Günther von der Uni Wien Beispiele. Sie sieht problemzentriertes Lernen als möglichen Weg, um die Männerdomäne IT weiblicher und diverser zu machen.
Wie digitale Technologien ausgestaltet sind, hängt von der Expertise und den Lebenserfahrungen jener ab, die sie gestalten - und das sind in Österreich wie auch in der EU zu 80 Prozent Männer, betont die Forscherin vom Zentrum für Lehrer*innnenbildung der Uni Wien gegenüber der APA. Sie ist eine der Vortragenden bei der Tagung "Weiterbildung - Digitalisierung, Trends und Ressourcen", die die Arbeiterkammer (AK) Wien und der Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds waff am Donnerstag in Wien veranstalten.
Schulen, Unis und Hochschulen sind gefordert
Versuche, mehr Frauen in den IKT-Bereich und damit auch mehr Vielfalt in die digitalen Technologien zu bringen, seien bisher nur "mehr oder weniger" erfolgreich gewesen, so Sozialwissenschafterin Günther. Vorübergehend könnte man versuchen, Teams, die Digitalisierungsprojekte umsetzen, stärker fachbereichsübergreifend zusammenzusetzen, um so auch mehr Diversität zu erhalten. Langfristig sieht sie allerdings Schulen, Unis und Hochschulen gefordert: Dort müsse man überlegen, welche Inhalte von wem und auf welche Weise vermittelt werden. "Das ist eine Aufgabe der gesamten Organisation."
Konkret müssten Lehrende bei der Vermittlung von IT-Themen stärker hinterfragen, an wen sie denken, wenn sie ihren Unterricht entwerfen. Mit problemzentriertem Lernen, bei dem die Technologie nicht selbst im Zentrum steht, sondern als Mittel zu Lösung eines Problems dient, könnten auch jene Gruppen besser eingebunden werden, die etwa mit Programmieren nichts anfangen können. "Damit fördert man automatisch auch Mädchen."
Idealerweise sollten dabei Fragestellungen bearbeitet werden, die Schülerinnen und Schüler bzw. Studierende selbst besonders relevant finden, und zwar noch stärker als derzeit in Form von Projektarbeiten und Ähnlichem. So würden sich Klimathemen, die derzeit viele Jugendlichen bewegen, gut eignen, um Recherchieren, Quellenkritik oder die Aufbereitung von Daten einzuüben, bringt Günther ein Beispiel.
"Digi-Winner"
AK und waff haben für mehr Chancengleichheit bei der digitalen Weiterbildung 2019 den "Digi-Winner" gestartet. Das Programm wurde bisher zu fast zwei Drittel von Frauen genutzt (64,5 Prozent). Die Hälfte aller Nutzerinnen und Nutzer hätte laut einer Untersuchung von Nadja Bergmann von L&R Sozialforschung ohne Förderung keine digitalisierungsspezifische Aus- oder Weiterbildung gemacht, heißt es in einer Aussendung der AK vom Donnerstag.
Es sei wichtig, dass alle Beschäftigten sich über Aus- und Weiterbildung die notwendigen digitalen Kompetenzen aneignen könnten, betonte AK Präsidentin Renate Anderl. "Nur so können wir sicherstellen, dass alle gleichermaßen vom digitalen Wandel profitieren und keine digitale Kluft in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz entsteht." Der Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) nannte es besonders wichtig, dass auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 50 Jahre mit dem "Digi-Winner" digitale Kompetenzen erwerben und so von den positiven Aussichten am Wiener Arbeitsmarkt profitieren könnten.
Bisher haben im Rahmen des Programms über 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zu 5.000 Euro Förderung ihrer digitalen Ausbildung bekommen. 2021 wurde die Finanzierung von 3.000 Kursen ermöglicht, besonders gefragt waren Weiterbildungen im Bereich Medien- und Grafikdesign, Onlinemarketing, Training/Führung sowie Software- und App-Entwicklung.
Service: https://www.waff.at/foerderungen/digi-winner/