Lech, Lust und lauter Lügen: Philosoph Konrad Paul Liessmann wird 70
Als Traumberuf gab der damals 17-jährige und "leicht renitente" Schüler Konrad Paul Liessmann bei der Berufsberatung "Zuhälter" an, als realistisch erwartbaren Beruf "Philosophieprofessor". Seinen Traum konnte er zwar nicht verwirklichen, Plan B funktionierte aber ganz gut: Heute ist Liessmann, der am 13. April 70 Jahre alt wird, der wohl bekannteste lebende Philosoph des Landes.
Dazu hat seine Lust am öffentlichen Auftritt, seine Bereitschaft, zu allen erdenklichen Gegenwartsthemen mit Aufklärung und Einwendung den philosophischen Unterbau beizusteuern, und sein nicht zuletzt durch die Gründung des "Philosophicum Lech" 1997 unter Beweis gestelltes offensives Werben für die Sinnhaftigkeit eigenständigen Denkens ebenso beigetragen wie seine unermüdliche Publikationstätigkeit.
Ein unermüdlicher Publizist
Zu den erfolgreichsten Werken des Philosophen und Kulturpublizisten zählen Auseinandersetzungen zum Thema Bildung: "Theorie der Unbildung" (2006), "Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung" (2014) und "Bildung als Provokation" (2017). Ansonsten reicht das weite Spektrum seiner Publikationen von Kitsch bis Kierkegaard, und von Marx bis zur Modernen Kunst. Zuletzt erschienen "Alle Lust will Ewigkeit" (2021) über die Aktualität von Friedrich Nietzsche, "Lauter Lügen", ein Sammelband mit 80 Essays, Kolumnen und Glossen, sowie ein Aufsatz in dem Band "Canceln. Ein notwendiger Streit".
Am 18. April wird im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok) der Sammelband zum letztjährigen Symposium "Der Hass. Anatomie eines elementaren Gefühls" des Philosophicum Lech präsentiert. Es war die 25. Veranstaltung der transdisziplinären Reihe, die sich unter dem Motto "Nachdenken auf höchstem Niveau - 1500 Meter über dem Meer" angefangen von der Faszination des Bösen (1997) jedes Jahr einem anderen griffigen Thema widmete. Zum Jubiläum versammelte der von Liessmann herausgegebener Band "Der Geist im Gebirge" Beiträge aus diesem Vierteljahrhundert vielfältiger Standortbestimmungen.
Geboren am 13. April 1953 in Villach studierte Liessmann nach der Matura 1971 Philosophie, Germanistik, Geschichte, Psychologie und Soziologie an der Universität Wien. 1976 erlangte er den Magistertitel, drei Jahre später wurde er Assistent, wurde mit einer Arbeit über "Anfang und Ende der Philosophie - Studien zum Verhältnis von Theorie und Praxis im griechischen und nachhegelschen Denken" zum Dr. phil. promoviert und schrieb 1989 seine Habilitation über den "Begriff der Distanz als ästhetische Kategorie". 1995 wurde Liessmann zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt, ab 2011 bekleidete er eine Professur für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik. Seit 2021 ist er emeritiert, aber keineswegs untätig.
Liessmann, der sich zum Denken am liebsten aufs Rennrad setzt, wurde unter anderem mit dem Staatspreis für Kulturpublizistik (1997) und dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels (2003), als "Wissenschafter des Jahres 2006", mit dem Donauland Sachbuchpreis und dem Preis der Havel-Stiftung (beide 2010) sowie dem Watzlawick-Ehrenring der Wiener Ärztekammer (2016) ausgezeichnet. 2020 war er Festredner bei der Eröffnung des Carinthischen Sommers, 2022 erhielt er den Montfortorden in Gold des Landes Vorarlberg.
Dass auch ein Philosophie-Papst keineswegs einen Unfehlbarkeitsanspruch hat, hält Liessmann im Vorwort zu "Lauter Lügen" so offenherzig wie entwaffnend fest: "Manchmal erfasst man ja tatsächlich Entscheidendes, manchmal liegt man damit einfach nur daneben."