Historische Rasterfahndung: Suchmaschine im Aufbau
Im Rahmen eines Forschungsprojekts baut ein Wissenschafterteam mit österreichischer Beteiligung eine digitale Suchmaschine zu den Inhalten von altertumswissenschaftlichen Quellen auf. Im Mittelpunkt stehen dabei historische Orte, deren Entwicklung bis zum Jahr 1492 anhand der Daten einsehbar werden soll. Die Forscher erhoffen sich mit dieser Art historischen Rasterfahndung neue Erkenntnisse.
Ein klassisches Beispiel für das Erkennen neuer Zusammenhänge durch die Verknüpfung von geografischen mit anderen Daten gebe es aus London, erklärte Rainer Simon, Informatiker der Forschungsgruppe "Next Generation Content Management Systems" am Austrian Institute of Technology (AIT), im Gespräch mit APA-Science. Dort kam ein Arzt im 19. Jahrhundert dahinter, dass sich die Cholera entlang des Verlaufs der Wasserleitungen ausbreitete und zog daraus den Schluss, dass das Wasser verseucht sein müsse. "Wenn man also verschiedene Daten hernimmt und sie verknüpft, dann sieht man manchmal etwas Neues", so Simon.
Angaben müssen erst identifiziert werden
In antiken Quellen finden sich Unmengen an Informationen. Führt man mehrere solcher digitalisierten Quellen zusammen, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien darin sinnvoll gesucht werden kann. Im Rahmen des "Pelagios"-Projekts, das von der amerikanischen Andrew W. Mellon Foundation mit fast einer halben Million Dollar (360.000 Euro) gefördert wird, entsteht nun eine Suchmaschine, die Ortsangaben und -erwähnungen aus lateinischen, griechischen und arabischen Quellen, aus mittelalterlichen Landkarten und Seekarten identifiziert. Dadurch können erstmals sowohl Inhalte von Karten als auch von historischen Texten miteinander verglichen werden. Auf einen Klick kann man dann etwa erkennen, wie sich etwa ein Ortsname über die Zeit hinweg entwickelt hat oder wie und wann neue Orte erstmals erwähnt und belegt wurden.
"Eine antike Karte oder einen antiken Text kann aber man nicht einfach in ein Geoinformationssystem hineinladen oder auf eine Google-Map legen, sondern man muss das erst einmal entschlüsseln", so Simon. Viele der Texte liegen bereits digital vor. Nun gehe es darum, sie "inhaltlich zu erschließen und technisch so aufzubreiten, dass die geografischen Daten strukturiert und maschinenlesbar vorliegen". An Partneruniversitäten in den USA und Großbritannien gehen Experten die alten Texte händisch durch und ordnen ihnen Vermerke und Koordinaten zu. Für Techniker geht es darum, Wege zu finden, den Historikern mühsame Handarbeit abzunehmen.
Spezielle Software entwickeln
Simon arbeitet daher an der Implementierung und Entwicklung von digitalen Werkzeugen, die in Texten automatisch Ortsnamen herausfiltern und auch gleich Vorschläge für deren Zuordnung anhand von Koordinaten auf der Landkarte machen. Teilweise bedarf es der Neuentwicklung spezieller Software, da die Forscher auf alte handschriftliche Quellen zurückgreifen, mit denen Programme zur automatischen optischen Texterkennung nicht zurande kommen. Ziel des Projekts sei kein vollautomatisches System, sondern eines, das den Historikern Vorschläge macht, die dann nur noch kontrolliert werden müssen.
Sind einmal alle Datenpakete - respektive Quellen - abgearbeitet, wird die Suchmaschine nicht nur der universitären Forschung und Lehre zu Verfügung stehen, sondern auch öffentlich zugänglich sein. Gerade in den Geisteswissenschaften gehe der Trend in Richtung Digitalisierung. "Es gibt sehr viele Leute, die ihre Datenbanken aufgebaut haben - und jetzt versucht man eben, diese Daten zu verknüpfen", so der Experte.