50 Jahre IIASA - Start als Brücke zwischen Ost und West
Seit 50 Jahren forscht das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien zu Herausforderungen wie etwa Klimawandel, Energieressourcen und demographischem Wandel, die in ihrer globalen Reichweite ökologische, ökonomische und soziale Folgen haben. Somit stand bei der Gründung des Institutes am 4. Oktober 1972 auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit über Fächer- und Ländergrenzen hinweg im Vordergrund.
Es brauchte sechs Jahre Vorlaufzeit, bis die von den USA und Russland initiierte Gründung eines internationalen unabhängigen Forschungsinstitutes, mitten im Kalten Krieg, wahr werden sollte. 1966 hatte US-Präsident Lyndon B. Johnson in einer Rede gesagt, es sei an der Zeit für die Zusammenarbeit von Wissenschaftern in Ost und West zur Bewältigung von Problemen, die alle fortgeschrittenen Gesellschaften beträfen, wie sich der erste IIASA-Direktor Howard Raiffa im Rahmen eines Vortrages in den 1990er Jahren einmal erinnerte. Entsprechende Bemühungen des US-Präsidenten und des damaligen sowjetischen Ministerpräsidenten, Alexej Kossygin, fruchteten: Insgesamt zwölf Länder unterzeichneten im Oktober 1972 in London die Gründungsurkunde des IIASA, die fortan wissenschaftliche Kooperation zwischen Ost und West fördern sollte.
Zuschlag für neutrales Österreich
Die ursprüngliche Idee, das Institut in Großbritannien anzusiedeln, wurde aufgrund politischer Rahmenbedingungen verworfen. Aus einigen Ideen und nationalen Angeboten, das neue Institut zu beherbergen, überzeugte letztlich jenes aus dem "neutralen" Österreich.
Mit den politischen Umbrüchen nach Ende des Ost-West-Konflikts erhielt das IIASA 1994 ein neues Mandat, welches wissenschaftliche Forschung aus einer globalen Perspektive in den Mittelpunkt rückte und auch die Mitgliedschaft für andere Teile der Welt öffnete. Heute zählt das IIASA 22 nationale Mitgliedsorganisationen - aus Ägypten, Brasilien, China, Deutschland, Finnland, Großbritannien, Indien, Indonesien, Iran, Israel, Japan, Jordanien, Mexiko, Norwegen, Österreich, Russland, Schweden, Slowakei, Südkorea, Ukraine, USA und Vietnam - sowie eine Organisation, die die Region Subsahara-Afrika bzw. 17 afrikanische Staaten vertritt. Die im September verkündete neue Partnerschaft stellt die erste regionale Mitgliedschaft in der Geschichte des IIASA dar.
Klimawandel und Klimapolitik als Kernthema
Klimawandel und Klimapolitik sind ein Kernthema der ersten Stunde des Institutes. Die Modellierungen und Expertisen der IIASA-Forscher flossen in diverse Berichte des Weltklimarates IPCC ein, so dass auch sie als Teil des größeren Kreises von Klimawissenschaftern und dem ehemaligen US-Präsidenten und Umweltaktivisten Al Gore im Jahr 2007 den Friedensnobelpreis verliehen bekamen. Seit 1972 ergingen einige weitere Nobelpreise an Forscher, die am IIASA gearbeitet haben, darunter etwa Tjalling Koopmans und Leonid Kantorowitsch (Wirtschaft 1975), Paul Crutzen (Chemie 1995) und Thomas Schelling (Wirtschaft 2005).
Eine weitere weithin einflussreiche Veröffentlichung war u.a. der Bericht "Global Energy Assessment" aus 2012, der zur Formulierung des 7. UN-Zieles für nachhaltige Entwicklung, zum Thema "Bezahlbare und saubere Energie", beitrug, wie die IIASA in einem 50-Jahre-Rückblick auf seiner Website anführt. Im Laufe der Jahrzehnte hat das Vorstandsgremium des IIASA immer wieder die Forschungsschwerpunkte des Institutes an die Zeichen der Zeit angepasst. Im Vorjahr verabschiedete man eine neue Strategie, die bis 2030 das Ziel vorgibt, "die Systemwissenschaft zu entwickeln und anzuwenden, um den Wandel zur Nachhaltigkeit zu unterstützen". Rund 430 Wissenschafter aus 53 Ländern gehörten 2021 dem IIASA an; das Institut kooperierte mit rund 730 Organisationen und Einrichtungen aus ihren Mitgliedsländern.
Auch der Nachwuchsförderung hat sich das IIASA, dem seit 2018 der südafrikanische Ökologe Albert van Jaarsveld als 11. geschäftsführender Generaldirektor vorsteht, schon früh verschrieben: 1977 und damit vor 45 Jahren fand das erste "Young Scientists Summer Program" (YSSP) statt, welches seither dem Institut zufolge etwa 2.100 jungen Wissenschaftern ermöglicht hat, jeweils im Sommer Projekte zu IIASA-Themen durchzuführen. Im Rahmen einer IIASA-Veranstaltung wurde im Juni diesen Jahres die "Wiener Erklärung zur Wissenschaftsdiplomatie" verabschiedet, in der sich ihre Unterzeichner aus Forschung und von verschiedenen Interessensvertretungen dafür aussprechen, "aktiv an der Förderung und Umsetzung der Grundprinzipien der Wissenschaftsdiplomatie zum Wohle der Menschheit mitzuwirken".
Service: https://iiasa.ac.at