Tiroler Zeughaus spürt zum Radio-Jubiläum "unsichtbaren Wellen" nach
In den 1950er-Jahren stand es als prestigeträchtiges Möbelstück in den Wohnzimmern, heute hat es nur mehr Handtaschenformat und ist stets griffbereit: Das Radio hat in seiner 100-jährigen Geschichte viele Änderungen durchgemacht. Das Innsbrucker Zeughaus spürt dem in seiner Ausstellung "Unsichtbare Wellen" nach und beleuchtet seine kulturhistorische, medienpolitische und technische Bedeutung. Auch in Tirol wurde während der Anfänge eifrig probiert und geforscht.
Einer der absoluten Radio-Pioniere, Otto Nußbaumer, war nämlich gebürtiger Wiltener - ein heutiger Stadtteil Innsbrucks. Der Physiker ging jedoch nach Graz. Dort gelang ihm, noch 20 Jahre vor der Gründung der Radio-Verkehrs-AG (RAVAG), an der Technischen Universität im Jahr 1904 über eine Strecke von 30 Metern die erste drahtlose Übertragung, sagte Zeughaus-Leiterin und Kuratorin Claudia Sporer-Heis am Donnerstag bei einer Presseführung. Der Versuchssender, der eigentlich im Besitz des Technischen Museums Wien ist, kann nun in Innsbruck als Leihgabe bestaunt werden.
Wettbewerbseifer trieb Radioentwicklung voran
Ab den 1920er-Jahren entwickelte sich in Schwaz - "wo ein guter Empfang gewesen sein muss" - eine "große Amateurgruppe", sagte die Kuratorin. Die "Radiobastler" begaben sich dafür auch in lichte Höhen: "Es wurde eine große Antenne zwischen den Glockentürmen der Pfarrkirche gespannt", ausgestellte Fotografien zeugen davon. Überhaupt war die technische Seite der Radioentwicklung wohl von einer gehörigen Portion Wettbewerbseifer getrieben, meinte Co-Kurator Meinhard Neuner. "Es gab einen Hype, möglichst rund um die Welt zu empfangen und zu senden." Die Klangqualität war dabei wohl nachrangig, viel wichtiger war, Sender aus Paris, London oder Moskau empfangen zu können. Amateure bezeichneten damals ihr Tun auch als "Radiosport", verdeutlichte er.
Das Radio wird politisch
Während des Nationalsozialismus bekam das Radio indes eine neue, hochpolitische Bedeutung: Die Verbreitung von aus Berlin gesteuerter Propaganda stand im Mittelpunkt. Ein ausgestellter "Volksempfänger", versehen mit kleinen Reichsadlern neben den Drehknöpfen, ist im Zeughaus zu sehen. Der "kleine Volksempfänger" wurde damals zu einem erschwinglichen Preis angeboten, erzählte Sporer-Heis über die Methoden der Nazis und sprach daher von einem "oktroyierten Massenmedium". Radio wurde zudem im Keller des Gauhauses - dem heutigen Innsbrucker Landhauses - gemacht.
Doch auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sollte das Radio politisch bleiben. Obwohl Frankreich, damals Besatzungsmacht in Tirol, "friedlich" mit dem Sender umgegangen war, wurden die Nachrichten sehr wohl "kontrolliert", so die Museumsleiterin. Und auch später, nach der Gründung des Österreichischen Rundfunks (ORF), war die Politik nicht weit. Das erste "ORF Studio Tirol" wurde schließlich im Neuen Landhaus angesiedelt, unweit des Landeshauptmann-Büros.
Zuletzt will die Schau jedoch auch die heutige Bedeutung des Radios beleuchten: Ein Baustellenradio oder auch diverse Autoradios zeugen von der nach wie vor hohen Relevanz des Radios. Besucherinnen und Besucher können sich zudem selbst am Radiomachen probieren. In einem eigens aufgebauten Aufnahmestudio kann ein Hörspiel gestaltet werden. Kinder können außerdem beim umfangreichen Rahmenprogramm gemeinsam mit Amateurfunkern ein Taschenradio basteln. Mit Verantwortlichen des ersten "Piratensenders" Tirols, Radio Freirad, stehen zudem Workshops zur Sendungsgestaltung am Programm.
Service: "Unsichtbare Wellen. 100 Jahre Rundfunk", Zeughaus Innsbruck, Zeughausgasse 1, 18. Oktober 2024 bis 31. August 2025, Di-So 9-17 Uhr. www.tiroler-landesmuseen.at