Sicher durch Kälte und Eis - TU Graz entwickelt Vereisungsschutz
Flugzeugteile oder Drohnen können in lichten Höhen leicht vereisen. Das kann zu schweren Störungen führen, die mitunter lebensgefährlich sein können. Forschende suchen daher nach Lösungen, die das verhindern. Eine neue Beschichtung, um Oberflächen vor Eisbildung zu schützen, haben Anna Maria Coclite und ihr Team an der TU Graz entwickelt. Sie basiert auf einem dünnen Polymerfilm, der durch initiierte chemische Gasphasenabscheidung entsteht, teilte die TU Graz mit.
Konzepte und Beschichtungslösungen gegen Vereisung gibt es viele, allerdings sind solche Anti-Eis-Beschichtungen meist empfindlich und lösen sich bald wieder von der Oberfläche, die sie schützen sollen. Das ist keine gute Ausgangslage für Materialien, die in rauen Umgebungen in tausenden Metern Höhe standhalten sollen. Die Grazer Forschenden am Institut für Festkörperphysik sind gemeinsam mit Kollegen aus Mailand sowohl in in puncto Haltbarkeit als auch in der Verhinderung der Eisbildung einen "Entwicklungssprung" weitergekommen, wie es die TU Graz in ihrer Aussendung formulierte. Die neuartige Beschichtung verzögere die Bildung von Eiskristallen und verringere die Adhäsion (Anhaftung) von Eisschichten, sei sehr widerstandsfähig gegen Abrieb, hafte aber selbst gut auf zahlreichen Oberflächen.
Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass die kristallografische Orientierung (Textur) in den Beschichtungen einen starken Einfluss auf die Oberflächeneigenschaften des Materials hat. Die Forschenden haben daher auf die am Massachusetts Institute of Technology (MIT) erfundene Methode der initiierten chemischen Gasphasenabscheidung (iCVD) zurückgegriffen, wie sie in der Elektronikindustrie oder der Beschichtung von Arzneimitteln zur Anwendung kommt. Diese Methode erfolgt bei milden Temperaturen und erfordert kein Lösungsmittel, was die einfache Herstellung von Copolymeren aus Monomeren mit unterschiedlichen Löslichkeiten ermöglicht.
Mit dieser Methode zur Abscheidung polymerer Dünnfilme haben sie eine dünne Polymerbeschichtung aus sogenannten Gradientenpolymeren herstellen können, die die gewünschte hohe Kristallisationstendenz und zugleich Stabilität besitzt. Das ebnete den Weg um eine Beschichtung zu erzeugen, die Eiskristallen keinen Halt bietet, sehr robust ist und dennoch auf verschiedensten Materialien haftet.
Zufällige Ausrichtung der Moleküle sorgt für eisabweisenden Effekt
Das Team konnte im Rahmen des Horizon2020-Projektes "Surfice" anhand von Röntgenbeugungsmessungen auch klären, worauf konkret die eisabweisende Eigenschaft ihrer Beschichtung beruht: "Das eisabweisende Material besteht aus länglichen Molekülen, die in senkrechter oder waagrechter Ausrichtung auf der Grundierung haften bleiben", erklärte Gabriel Hernandez Rodriguez. "Je dicker wir das Material aufgebracht haben, desto zufälliger wurde der Wechsel zwischen senkrechten und waagrechten Molekülen. Und je zufälliger die Anordnung an der Oberfläche, desto größer wurde der eisabweisende Effekt", so der Mitarbeiter von Anna Maria Coclite an der TU Graz. Dieser Mechanismus war bisher unbekannt. Die jüngsten Ergebnisse haben die Forschenden im Fachjournal ACS Applied Material and Interface veröffentlicht.
Coclite ist Assistenzprofessorin am Institut für Festkörperphysik der TU Graz und leitet das CVD (Chemical Vapor Deposition) Labor des Institutes. Sie studierte Chemie in ihrer Heimatstadt Bari und war drei Jahre lang als Postdoc am MIT in Boston tätig, bevor sie 2013 an die TU Graz kam. 2014 erhielt sie ein Marie Curie Fellowship. 2016 erhielt sie einen ERC Grant an der TU Graz und 2023 einen ERC Proof of Concept Grant.
Service: G. Hernandez Rodriguez, M. Fratschko, L. Stendardo, Anna Maria Coclite et al: "Icephobic Gradient Polymer Coatings Deposited via iCVD: A Novel Approach for Icing Control and Mitigation", https://doi.org/10.1021/acsami.3c18630