Geräusche in Brutkästen können Gehör von Frühgeborenen schädigen
Geräusche in Inkubatoren auf Neugeborenen-Intensivstationen können das Gehör von Frühgeborenen schädigen. Wie ein österreichisch-deutsches Forscherteam im Fachjournal "Frontiers in Pediatrics" berichtet, werden im Brutkasten zwar Geräusche von außen gedämpft. Durch die Eigenresonanz der Box im tieffrequenten Bereich und durch starke Schallquellen wie die Beatmung direkt am Ohr des Babys können Geräusche im Inkubator-Inneren aber unbemerkt zu Hörschädigungen führen.
Frühere Studien haben gezeigt, dass Neugeborenen-Intensivstationen meist nicht leise genug sind. Es gibt zwar eine Empfehlung für einen Höchstwert von 45 Dezibel. Doch in Inkubatoren gemessene Geräuschpegel liegen mit etwa 57 Dezibel normalerweise deutlich darüber, schreiben die Wissenschafter in ihrer Arbeit. Spitzenwerte betragen bis zu 114 Dezibel, etwa wenn der Brutkasten unsachgemäß geschlossen wird - das entspricht dem Platzen eines Luftballons rund 50 Zentimeter vom Ohr des Babys entfernt.
Hörschädigung kann zu Verzögerungen beim Spracherwerb führen
Es wird vermutet, dass dies ein Grund dafür ist, dass Säuglinge, die für einige Zeit in den Brutkasten mussten, häufiger Hörstörungen haben. Während durchschnittlich nur bis zu 0,3 Prozent aller Neugeborenen an einer Hörschädigung leiden, liege diese Rate bei Frühgeborenen zwischen zwei und zehn Prozent. Diese Beeinträchtigung kann zu Verzögerungen beim Spracherwerb führen.
"Das Tückische an Inkubatoren ist, dass nicht nur Schall von außen nach innen gedämpft wird, sondern auch umgekehrt von innen nach außen. Wenn man vor einem Inkubator steht, klingt er sehr leise, auch wenn innen die Geräuschentwicklung zeitweise sehr hoch sein kann, besonders wenn die Beatmungsmaschine eingeschaltet ist oder Türen geschlossen werden", erklärte Christoph Reuter vom Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien gegenüber der APA.
Mit Messmikrofonen ins Innere des Inkubators
Ein Team um Reuter, dem Kollegen der Medizin-Uni Wien, der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und mehrerer deutscher Hochschulen angehörten, untersuchte in der Studie die Rolle des Brutkastens in der Geräuschkulisse. Dazu platzierten die Forscher eine Simulationspuppe in einem mit Messmikrofonen ausgestatteten Inkubator und zeichneten unter kontrollierten Bedingungen die beim alltagstypischen Umgang mit dem Inkubator entstehenden Geräusche innerhalb und außerhalb auf.
Die Forscher analysierten diese Geräusche vergleichend, um festzustellen wie sie durch das Gerät verändert werden. Dabei berücksichtigten sie auch die verschiedenen aus der Literatur bekannten Pegelgewichtungen.
In der Untersuchung zeigte sich, dass Inkubatoren die meisten Geräusche dämpfen. Allerdings sei auch "eine starke dröhnende Komponente wahrnehmbar, die durch die Resonanz innerhalb des Inkubatorhohlraums verursacht wird", schreiben die Wissenschafter in der Arbeit. Durch diese tieffrequente Inkubatorresonanz könne der Geräuschpegel um bis zu 28 Dezibel ansteigen. "Als geschlossene Hohlräume haben Brutkästen in der Regel eine Eigenresonanz bei etwa 100 Hertz, das heißt in diesem Bereich sind Geräusche im Inneren des Brutkastens besonders laut", so Co-Autor Vito Giordano von der MedUni Wien.
Zudem zeigte sich, dass sogenannte "gewichtete Dezibelwerte" die Lärmbelastung für Frühgeborene unterschätzen. Denn die häufig verwendete "A-Gewichtung" bei der Pegelmessung ist zum einen für leise Pegel gedacht. Zum anderen ist sie am Hörschwellenverlauf von Erwachsenen ausgerichtet, der in anderen Frequenzbereichen empfindlich ist als jener von Frühgeborenen oder Babys.
Die Geräuschentwicklung in Inkubatoren sollte also als potenzielles Risiko für das Gehör der jungen Patienten betrachtet werden, betonen die Autoren. "Wir glauben, dass das, was wir in unseren Studien gemessen haben, eine der Hauptursachen sein könnte, warum viel mehr Frühgeborene an Hörstörungen leiden", so Reuter.
Service: https://doi.org/10.3389/fped.2023.1147226)