Neuer Therapieansatz für aggressive Hirntumorart
Das diffuse hemisphärische Gliom (DHG) ist eine Gehirntumorerkrankung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einer Überlebensprognose von durchschnittlich weniger als zwei Jahren und eingeschränkten Therapieoptionen. Ein Forschungsteam von MedUni Wien und AKH Wien identifizierte erhöhten Stress durch gezielte Erbsubstanz-(DNA)-Brüche unter gleichzeitiger Hemmung der DNA- Reparatur in der Tumorzelle als vielversprechenden Therapieansatz. Die Studie ist aktuell im Fachjournal "Neuro-Oncology" erschienen.
Die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen des DHG wurden erstmals vor gut zehn Jahren charakterisiert. Das DHG wird aufgrund dieser spezifischen Charakteristika mittlerweile als eigenständige Hirntumorart gelistet. Bisher konnte dieses Wissen aber nicht in effizientere Therapiemöglichkeiten umgesetzt werden. Die aktuelle Forschungsarbeit unter der Leitung von Johannes Gojo (Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde) und Walter Berger (Zentrum für Krebsforschung) konnte zeigen, dass die Tumorzellen einen speziellen Mechanismus nutzen, um "unsterblich" zu werden. Dieser Mechanismus geht aber mit erhöhtem Stress aufgrund von vermehrten Erbsubstanz (DNA)-Schäden einher. Diese "Verletzlichkeit" identifizierte die Forschungsgruppe als neuen therapeutischen Ansatz und zeigte, dass das gezielte Auslösen weiterer DNA-Schäden unter gleichzeitiger Hemmung der DNA-Reparatur einen vielversprechenden Therapieansatz für diese aggressive Tumorart des Gehirns darstellt.
Potenzial von PARP-Inhibitoren für Tumoren untersucht
Die Studie wurde im Rahmen eines TRANSCAN-2 EU-Projektes durchgeführt, in dem das Potenzial von sogenannten PARP-Inhibitoren für pädiatrische solide Tumoren untersucht wird. PARP-Inhibitoren haben die Behandlung von Brust-, Eierstock- und Prostatakrebs mit defekten DNA-Strangbruch-Reparaturmechanismen, auch als "Breast Cancer" (BRCA)-Gen-mutierte Tumoren bekannt, revolutioniert. Das europaweite Projekt knüpft an internationale Vorstudien an, die zeigten, dass bestimmte pädiatrische Tumoren Mutationen in Genen aufweisen, die zu einer defekten Reparatur von DNA-Schäden führen können, also ähnlich wie bei BRCA-mutierten Tumoren bei Erwachsenen.
Kombinationstherapie erhöht den Stressdruck der Tumorzellen Histone sind Eiweißmoleküle, die Lage und Funktion der DNA strukturieren und somit an der Funktionalität und der Regulation der Genexpression beteiligt sind. In Zusammenarbeit mit Christian Lehmann in der Gruppe von Jürgen Knoblich (MedUni Wien/AKH Wien/IMBA) wurden Stammzellen so verändert, dass sie die gleichen Mutationen aufweisen wie beim seltenen Hirntumor DHG. Dadurch zeigte sich, dass typische molekulare Veränderungen dieses Hirntumors einen Mechanismus zur Verlängerung der Telomere (den Schutzkappen der Chromosomen) auslösen. Dies führt bei den Tumorzellen zu einer Art "Unsterblichkeit", aber auch zu vermehrten DNA-Schäden. "Die Tumorzellen hängen von einer Kombination aus Mutationen ab, die ihnen das Überleben ermöglicht, gleichzeitig aber Angriffspunkte für Therapien schafft", so Studienleiter Walter Berger. Mit internationalen Partner:innen wurde gezeigt, dass Tumorzellen auf eine Kombinationstherapie mit PARP-Inhibitoren ansprechen. "Diese Medikamente blockieren die Reparatur von DNA-Schäden - ein Mechanismus auf den die Tumoren angewiesen sind. Zusätzlich wurde ein so genannter Topoisomerase-Inhibitor eingesetzt, ein Wirkstoff, der DNA-Brüche verursacht und den Stress auf die Tumorzellen verstärkt. Diese Kombination führt zu irreparablen Schäden, sodass Tumorzellen absterben oder ihr Wachstum gestoppt wird", erklärt Erstautorin Anna Lämmerer den essentiellen Teil der Therapie.
Neue Therapiestrategie bereits erfolgreich angewendet
Die hier entwickelte Therapiestrategie wurde bereits bei einer Patientin mit einem besonders aggressiven DHG erfolgreich angewendet. "Der Tumor, der zuvor resistent gegenüber einer Bestrahlung war, hat auf diese neue Therapie angesprochen. Unsere Erkenntnisse liefern die Grundlage für weitere internationale Studien zu PARP-Inhibitor- Kombinationen bei kindlichen Gehirntumoren", ergänzt Studienleiter Johannes Gojo.
Diese wichtigen Ergebnisse mit hoher klinischer Relevanz entstanden in Zusammenarbeit mehrerer unterschiedlicher Disziplinen am Comprehensive Cancer Center von MedUni Wien und AKH Wien sowie nationalen und internationalen Kollaborationspartnern.
Publikation: Neuro-Oncology Alternative lengthening of telomere-based immortalization renders H3G34R-mutant diffuse hemispheric glioma hypersensitive to PARP inhibitor combination regimens. Anna Laemmerer, Christian Lehmann, Lisa Mayr, Katharina Bruckner, Lisa Gabler, Daniel Senfter, Philipp Meyer, Theresa Balber,Christine Pirker, Carola N. Jaunecker, Dominik Kirchhofer, Petra Vician, Michelle Griesser, Sabine Spiegl-Kreinecker, Maria T. Schmook, Tatjana Traub-Weidinger, Peter Kuess, Franziska Eckert, Aniello Federico, Sibylle Madlener, Natalia Stepien, Bernhard Robl, Alicia Baumgartner, Johannes A. Hainfellner, Karin Dieckmann, Christian Dorfer, Karl Roessler, Nina S. Corsini, Klaus Holzmann, Wolfgang M. Schmidt, Andreas Peyrl, Amedeo A. Azizi, Christine Haberler, Alexander Beck, Stefan M. Pfister Julia Schueler, Daniela Loetsch- Gojo, Jürgen A. Knoblich, Walter Berger*, Johannes Gojo*.
Rückfragehinweis: Medizinische Universität Wien Mag. Johannes Angerer Leiter Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Tel.: 01/ 40 160 11 501 E-Mail: pr@meduniwien.ac.at Spitalgasse 23, 1090 Wien www.meduniwien.ac.at/pr Universitätsklinikum AKH Wien Karin Fehringer, MBA MSc Leiterin Informationszentrum und PR Wiener Gesundheitsverbund Tel.: +43 1 404 00-12160 E-Mail: presse@akhwien.at Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien www.akhwien.at/presse
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