Klimaforscherin: "Viele Somalier werden von Dürren vertrieben"
Gewaltsame Konflikte, Hungersnot, Krankheiten, Heuschreckenplagen - Somalia und seine rund 16 Millionen Einwohner haben mit vielen Krisen gleichzeitig zu kämpfen. Auch durch den Klimawandel ausgelöste Extremwetterereignisse, etwa Überflutungen oder lange Dürren, machen den Menschen das Leben schwer. Klimaforscherin Lisa Thalheimer hat in Wien erklärt, welche Auswirkungen der Klimawandel auf Binnenfluchtbewegungen in Somalia hat und wie geholfen werden könnte.
"Somalia ist ein Schmelztiegel verschiedener Probleme, die manchmal geografisch zusammenfallen", sagte Thalheimer im Rahmen eines Workshops an der WU. Eigentlich forscht die Wissenschafterin an der US-amerikanischen Elite-Universität Princeton. Ihr zufolge leben derzeit rund drei Millionen Binnenflüchtlinge im ostafrikanischen Somalia. "Migration ist dort nichts Außergewöhnliches", so Thalheimer. Es gehöre zum Alltag, der Kultur und der Geschichte des Landes. Besonders viele Somalier würden in die Hauptstadt Mogadischu im Süden kommen - aus verschiedenen Gründen. "Vermutlich sehen die Menschen, dass dort mehr humanitäre Hilfe ankommt", nannte Thalheimer einen möglichen Faktor.
Zu schwach, um eine Flucht zu schaffen
Angesichts der vielen Schwierigkeiten in Somalia gibt es meist nicht einen Grund dafür, warum die Menschen ihre Häuser verlassen. Nach intensiver Forschung zum Thema weiß Thalheimer aber, dass die extreme Hitze und die Dürre neben den gewaltsamen Konflikten oft ausschlaggebend sind: "Viele Somalier werden von den Dürren vertrieben." Dies geschehe nicht immer sofort: "Die Menschen versuchen, damit fertig zu werden. Nach zwei bis vier Monaten können sie aber nicht mehr bleiben und müssen fliehen", meinte die Forscherin. Manchmal sei es aber auch zu spät. Erlebe der Körper immer wieder Dürreperioden, könne er die Hitze irgendwann nicht mehr ertragen und werde möglicherweise zu schwach, um eine Flucht zu schaffen.
Thalheimer betonte, dass die Fluchtbewegungen größtenteils innerhalb von Somalia passieren würden. Dass viele von ihnen in Zukunft nach Europa kommen, hält sie für unwahrscheinlich, aus mehreren Gründen. "Wir wissen, dass die meisten gern bei ihren Familien und zuhause bleiben würden", sagte sie. Der größte Faktor sei vermutlich aber, dass die überwiegende Mehrheit der Somalier sich eine Flucht in den Westen überhaupt nicht leisten kann. Deshalb und auch, weil die Straßen oft nicht gut ausgebaut sind, fliehen viele nicht weit. Man solle sich bei der Hilfe daher darauf konzentrieren, Situationen und Umgebungen zu schaffen, in denen die Menschen in Somalia selbst besser leben können. In anderen, weniger armen Ländern könne die Klimakrise in Zukunft aber durchaus zu verstärkten, internationalen Fluchtbewegungen führen.
"Forecast based Financing" könnte helfen
Als einen Vorschlag, wie man den Somaliern helfen könnte, nannte Thalheimer den Begriff des "Forecast based Financing", also auf Wettervorhersagen basierende Finanzierungen. Hier prüft man bereits vor Extremwetterereignissen, wer am meisten davon betroffen sein könnte und stellt Mittel zur Verfügung, um diese Menschen zu schützen - etwa indem man Dächer, Schutzräume und Evakuierungszentren ausbaut. "So könnten viele Menschen und Häuser gerettet werden", glaubt Thalheimer. Der Nachteil dabei sei, dass das Zeitfenster vor Extremwetterereignissen natürlich immer begrenzt sei und man nie sagen könne, ob sie letztendlich tatsächlich eintreten.
Die Klimafinanzierung sollte nach Meinung Thalheimers außerdem jenen Ländern zugute kommen, in denen extreme Wetterereignisse so schwerwiegend seien wie in Somalia, wo die Auswirkungen bereits spürbar seien. Außerdem sieht sie Europa in der Verantwortung, mehr Mittel für Somalia und andere, ähnlich vom Klimawandel betroffene Länder bereitzustellen: "In Europa gibt es eine Menge Länder, die zur Klimakrise beigetragen und sie verursacht haben", erklärte sie.