20.000 Jahre altes Schmuckstück gibt DNA seiner Trägerin preis
Aus einem vor 19.000 bis 25.000 Jahren hergestellten Schmuckstück konnte ein Forschungsteam erstmals Erbgut seiner einstigen Trägerin isolieren. Der in der sibirischen Denisova-Höhle im nordwestlichen Altai-Gebirge gefundene Anhänger aus einem Wapiti-Hirsch-Zahn wurde demnach von einer Frau getragen, die eng mit Menschen verwandt war, die damals noch weiter östlich gelebt haben. Die neue Methode offenbare ganz neue Einsichten in das vorzeitliche Leben.
Die Denisova-Höhle ist für Forscher eine außerordentliche Fundgrube. In ihr findet man mehr oder weniger kontinuierlich über die vergangenen 200.000 Jahre hinweg Zeugnisse menschlicher Nutzung, heißt es am Mittwoch in Aussendungen zu der im Fachmagazin "Nature" erschienenen Studie. Die spektakulärste Entdeckung aus der Höhle war jene vor rund 13 Jahren, als mittels DNA-Analysen eines Fingerknochens klar wurde, dass sich unter den Funden auch Relikte einer bis dahin unbekannten Art von Frühmenschen befanden. Zusammen mit den Neandertalern gelten die "Denisovaner" nun als die nächsten ausgestorbenen Verwandten heute lebender Menschen.
In den Folgejahren eröffneten sich anhand der Funde aus Südsibirien weitere Einsichten in die Lebensweise von frühen Menschen-Vertretern und deren Jagdverhalten. So analysierten 2021 etwa Wissenschafter vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena (Deutschland) und u.a. ihre an der Universität Wien tätige Kollegin Katerina Douka rund 3.800 Knochenfragmente von Tieren und Menschen aus der Höhle mit einem aufwendigen genetischen Verfahren. Hier kam auch neues Denisovaner-Erbgut zum Vorschein.
"Waschmaschine" für uralte Artefakte
Der Frage, was man auch aus Artefakten nicht menschlichen Ursprungs noch an Geninformationen herausholen kann, ging jetzt ein internationales Team unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig (MPI-EVA) nach. Im Fokus stand die Entwicklung einer neuen Methode, um vor allem aus alten Zähnen oder Knochen, die von Menschen bearbeitet oder benutzt wurden, menschliche DNA-Fragmente herauszulösen, ohne sie zu zerstören.
Gelingt das, könnten die Wissenschafter alte Fundstücke mit modernen Analysen ihren Schöpfern oder Besitzern zuordnen. Nun kann das Team um die Hauptautoren der neuen Studie, Elena Essel und Matthias Meyer vom MPI-EVA, mit einer Erfolgsmeldung aufwarten. Dafür fokussierten sich die Forscherinnen und Forscher auf Knochen und Zähne. Deren Oberflächen sind porös und damit steigt die Chance, dass etwa Hautzellen oder Körperflüssigkeiten, die Genspuren enthalten, ein Stück weit in das Material eindringen können und dort erhalten bleiben.
Um an diese Information zu kommen, hat das Team eine Art "Waschmaschine für uralte Artefakte aufgebaut. Wenn wir die Artefakte bei Temperaturen von bis zu 90 Grad Celsius waschen, sind wir in der Lage, DNA aus dem Waschwasser zu extrahieren, während die Artefakte völlig intakt bleiben", so Essel. Bei ersten Versuchen mit Funden aus den 1970er- bis zu den 1990er-Jahren fand sich aber vor allem Erbgut der Archäologen, die diese einmal ausgruben oder die sie erforschten.
Biomoleküle bleiben in der Höhle besonders gut erhalten
Erfolg hatten die Wissenschafter allerdings bei einem aus dem Zahn eines Wapiti-Hirsches gefertigten, tropfenförmigen Anhänger aus der Denisova-Höhle, den russische Archäologen in Schutzausrüstung im Sommer 2019 ausgruben. Die Höhle ist bekannt dafür, dass sich Biomoleküle dort besonders gut erhalten. Tatsächlich fanden sich mit der neuen Methode sowohl DNA-Fragmente des Hirsches und auch von jener Frau, die den Anhänger höchstwahrscheinlich hergestellt, getragen und letztlich in der Höhle verloren hat.
Die Analysen zeigen, dass die Erbinformation von Mensch und Tier aus der gleichen Zeit stammt und zwischen 19.000 und 25.000 Jahre alt ist. Das passt auch zu der Datierung von Holzkohle-Resten aus der Umgebung des Fundes, die Douka zu der Studie beigesteuert hat. Die jüngsten Kohle-Überbleibsel fallen in die Zeit vor rund 24.000 Jahren.
Douka und ihr in diese Arbeit nicht involvierter Kollege Tim Higham haben in der Vergangenheit zahlreiche Artefakte aus der Höhle analysiert. Die neuen Erkenntnisse und die Methode zur DNA-Extraktion der deutschen Kollegen seien "ein enormer technischer Durchbruch" und eine der aufregendsten Entdeckungen in dem Forschungsfeld in den vergangenen zehn Jahren. Man könne nun nachvollziehen, wer einst etwas mit einem Gegenstand getan hat, so Douka. Das erlaube völlig neue Einsichten in die Organisation früherer Gesellschaften. "Letztendlich erhalten wir einen außergewöhnlichen Einblick in das Alltagsleben steinzeitlicher Menschen."
Service: https://doi.org/10.1038/s41586-023-06035-2