"Regenwald der Österreicher": Gründer Schnitzler zieht sich zurück
1991 begann Michael Schnitzler Spenden zu sammeln, um in Costa Rica einen der artenreichsten Urwälder Mittelamerikas vor der Zerstörung zu retten. Der von ihm gegründete Verein "Regenwald der Österreicher" hat seither über 4.500 Hektar freigekauft, um Regenwald zu retten bzw. Flächen wieder zu bewalden. Nun zieht sich Schnitzler 78-jährig als Vereins-Obmann zurück. Im APA-Gespräch blickt er auf viele Erfolge zurück, bedauert jedoch, dass "die Bedrohung nach wie vor da ist".
Aus gesundheitlichen Gründen hat Schnitzler die Obmannschaft an den Biologen Anton Weissenhofer (55) von der Universität Wien übergeben. Weissenhofer leitet seit 1993 gemeinsam mit seinem Kollegen Werner Huber die österreichische Tropenstation "La Gamba".
Der Wiener Musiker Michael Schnitzler hatte Ende der 1980er-Jahre ein kleines Haus am Rande des Esquinas-Regenwaldes nahe dem Städtchen Golfito an der Pazifikküste im Südwesten Costa Ricas gekauft. Unter dem Eindruck zunehmender illegaler Schlägerungen in unberührten Regenwaldgebieten in der Region begann er, sich für den Schutz des Waldes einzusetzen. Er startete das Projekt "Regenwald der Österreicher". "Zuerst schnorrte ich Verwandte und Bekannte an, dann berichteten österreichische Medien über das Projekt und zahlreiche Kleinspender kamen dazu, von denen viele heute noch dabei sind", sagte Schnitzler.
Am Anfang erntete "el loco austriaco" (der verrückte Österreicher) noch Kopfschütteln bei der lokalen Bevölkerung, kaufte er doch Grundstücke und schenkte sie gleich wieder dem Staat, damit die Flächen in den damals weitgehend nur auf dem Papier bestehenden Nationalpark Piedras Blancas eingegliedert werden. Manch einer meinte, sie hätten ein Grundstück mit Wasserfall, ob er dort nicht ein schönes Hotel hinbauen wolle, erinnert sich Schnitzler an die Anfänge.
Druck auf die Natur
Aber auch heute sei der "Druck auf die unberührte Natur noch immer sehr präsent - ob es eine Papierfabrik im Golfo Dulce war, die man dort bauen wollte, eine Fischzucht ebendort, oder ob es Goldgräber sind, die im Regenwald nach Gold schürfen. Der Kampf geht weiter und wir dürfen da ja nicht lockerlassen", betonte Weissenhofer bei dem gemeinsamen Interview mit Schnitzler. Vom Staat Costa Rica werde man dabei glücklicherweise unterstützt.
Auch Schnitzler sieht die Situation nicht viel besser als vor 30 Jahren, "die Bedrohung ist nach wie vor da", sagte er und verweist etwa auf massive Abholzungen weltweit. "Wir sind eine kleine Organisation und können nicht die Welt retten, aber wir kümmern uns um einen kleinen Teil", so der Musiker und Naturschützer, der sich nicht gescheut hat, seinen prominenten Namen - Schnitzler ist Enkel des Schriftstellers Arthur Schnitzler - für das Projekt einzusetzen. Mit Erfolg: Über die Jahre wurden etwa 40 Quadratkilometer des Esquinas-Regenwalds freigekauft und in den Nationalpark "Piedras Blancas" eingegliedert.
Ein neues Ziel
Inzwischen gilt der Esquinas-Regenwald als gerettet, allerdings verfolgen der Verein und die beteiligten Wissenschafter seit einigen Jahren ein neues Ziel. Sie arbeiten daran, im Pufferbereich des Nationalparks Grundstücke zu erwerben und zu schützen und in weiterer Folge den Nationalpark mit dem nahe gelegenen Bergregenwald am Höhenrücken Fila Cal zu verbinden. Für diesen "Biologischen Korridor La Gamba - COBIGA" werden - wieder mit Unterstützung des Vereins "Regenwald der Österreicher" - bestehende Wälder und Weideland angekauft und Brachflächen wiederbewaldet.
Zumindest finanziell ist dies nicht einfacher geworden: In den ersten Jahren sei viel weniger Geld notwendig gewesen, um Grundstücke im Nationalpark zu kaufen, weil da der Staat die Preise festgesetzt habe. Die Flächen außerhalb des Nationalparks seien allerdings viel teurer, "in den vergangenen 30 Jahren hat sich der Quadratmeterpreis verzwanzigfacht", so Schnitzler.
Die Einbindung der Wissenschaft hat sicher viel zum Erfolg des Projekts beigetragen: Bereits 1993 kaufte der Verein "Regenwald der Österreicher" nahe der kleinen Ortschaft La Gamba eine kleine Finca - damals nicht viel mehr als eine Wellblechhütte samt Garten, um einen Stützpunkt für Forscher zu schaffen. Die interessierten sich zunehmend für den Tieflandregenwald, der mit rund 3.000 Gefäßpflanzenarten einer der artenreichsten der Welt ist.
Aus der Hütte entstand die Tropenstation "La Gamba", die mittlerweile dem Uni Wien-nahen Förderverein der Tropenstation La Gamba gehört. Sie bietet Wissenschaftern, Studierenden und Naturinteressierten die Möglichkeit für Forschungsprojekte, Exkursionen und Studienreisen.
Vor sechs Jahren hat der Verein "Regenwald der Österreicher" seine Grundstücke und Aktivitäten in Costa Rica an den Trägerverein der Tropenstation übergeben. Seither verwaltet die Tropenstation die Spenden für Landkäufe und die Uni Wien die Spenden für Wiederbewaldung. Mit dieser Lösung stehe nun eine Universität hinter dem Projekt, das damit nicht mehr nur von einem privaten Verein und Einzelpersonen abhängig sei, zeigen sich Schnitzler und Weissenhofer zufrieden.
Das im Laufe der Jahre erarbeitete Wissen hilft jedenfalls bei der Wiederbewaldung: "Wir kennen mittlerweile die Bäume, wissen wie man sie pflanzt und welche Art wo wächst, wie man sie weiterbringt, und haben begonnen bis zu 200 Arten aus dem Wald selbst zu reproduzieren", sagte Weissenhofer.
2010 und 2014 seien zwei große Grundstücke erworben worden, auf denen es nach Jahrzehnten mit Bananenplantagen und Viehweidewirtschaft praktisch keine natürliche Samenbank im Boden mehr gab. "Es ist unglaublich, wie rasch das jetzt zugewachsen ist. Nach zwei Jahren waren Bäume teilweise schon sechs Meter hoch, nach acht Jahre sind sie bis zu 25 Meter hoch", freut sich Schnitzler, der es sich trotz gesundheitlicher Probleme nicht nehmen lässt, immer wieder nach Costa Rica zu fliegen, selbst Hand anzulegen, Bäume zu pflanzen und sich um seine Esquinas Rainforest Lodge zu kümmern, die Ökotourismus im Nationalpark ermöglicht.
In den vergangenen Jahren wurden für den "Biologischen Korridor" mit Hilfe des Vereins "Regenwald der Österreicher" etwa 500 Hektar außerhalb des Nationalparks gekauft, "und darauf haben wir rund 70.000 Bäume gesetzt", betonte Weissenhofer. Damit leiste man nicht nur einen Beitrag zum Schutz des Klimas, weil die Bäume CO2 aufnehmen, sondern fördere auch die Biodiversität. "Wir versuchen auch seltene sowie ökologisch wertvolle Arten zu fördern, deren Blüten etwa Insekten oder Vögel als Bestäuber anlocken oder deren Früchte von seltenen Tieren gefressen werden."
Es gebe viele Tiere, die nun aufgrund der Naturschutzaktivitäten zurückkehren, "Tiere, die wir Jahrzehnte lang nicht gesehen haben, weil sie extrem bejagt oder ihre Lebensräume zerstört wurden", so Weissenhofer. Als Beispiel nennt er Großkatzen wie Jaguar, Ozelot und Jaguarundi, oder Aras, Tuberkelhokko und Agutis.
Wichtig ist den Forschern und Naturschützern, dass die Bevölkerung in das Projekt eingebunden ist. "Die Menschen, die dort leben, sollen von dem Wissen, das wir uns aneignen, profitieren", so Weissenhofer. Im Gegensatz zum Nationalpark gibt es im "Biologischen Korridor" Siedlungen. Daher gehe es dort nicht nur darum, Waldstücke zu verbinden, sondern auch darum, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern, indem sie ökologischer leben und erkennen, warum das für sie wichtig ist.
So versuche man etwa, Möglichkeiten aufzuzeigen, seien es Alternativkulturen, alternative Einkommensquellen oder ein ökologischer Betrieb von Ölpalmen-Plantagen, sowie Aufklärungsarbeit zu leisten. So hat die Tropenstation mitten im Ort von La Gamba eine ein Hektar große "Finca Modelo" aufgebaut, wo professionelles Know-how für die Einheimischen und Interessierte angeboten wird.
Als Ergebnis der jahrelangen Feldarbeit, vor allem auf diesem Modell-Bauernhof, und ergänzt mit Erfahrungen lokaler Bauern und wissenschaftlichem Know-how hat die Tropenstation kürzlich gemeinsam mit costaricanischen Kollegen das Buch "Organic agriculture in the biological corridor La Gamba" herausgebracht. Es bietet in Englisch und Spanisch in einfacher Sprache Informationen zu nachhaltiger Landwirtschaft im feucht-tropischen Tieflandklima.
Auch wenn schon teilweise natürliche Verbindungen zwischen Tiefland- und Bergregenwald in der Region existierten, habe der "Biologische Korridor noch große Lücken, die es durch weitere Grundstückskäufe zu schließen gilt. "Das Um und Auf des Artenreichtums in der Region ist, dass möglichst viele Waldstücke zusammenhängen. Das ist uns teilweise schon gelungen, aber es gibt noch viel Arbeit", betonte Weissenhofer, der an der Spitze des Vereins "Regenwald der Österreicher" "den Weg Michael Schnitzlers weitergehen will". Mit diesem verbinde ihn seit fast 30 Jahren die Leidenschaft den "Regenwald der Österreicher" zu erhalten und zu erforschen - das ist zu meiner Lebensaufgabe geworden und durch die neue Obmannschaft noch um ein Stück mehr".
(S E R V I C E - Internet: http://www.regenwald.at, http://www.lagamba.at)