Wachkoma-Patienten reagieren bei dynamischen Tageslichtbedingungen stärker auf Umweltreize
Die Psychologin Monika Angerer von der PLUS hat in einer Studie herausgefunden, dass Wachkoma-Patienten mehr Reaktionen auf Umweltreize zeigen, wenn im Zimmer Lichtlampen angebracht sind, die das Tageslicht dynamisch nachahmen. Durch die Lichtlampen näherte sich der gestörte zirkadiane Rhythmus der Patienten dem gesunden 24 Stunden Rhythmus an. Tageslichtbedingungen könnten möglicherweise den Bewusstseinszustand von Wachkoma-Patienten verbessern, so die Hoffnung der Forscherin.
Monika Angerer wurde vor kurzem für ihre Arbeit zu zirkadianen Rhythmen bei Patienten und Patientinnen mit Bewusstseinsstörungen mit dem MERCK-FLUXUM Dissertationspreis des Vereins Forschungsforum an der Universität Salzburg ausgezeichnet.
Viele physiologische Prozesse von Lebewesen folgen zirkadianen Mustern, d. h. Rhythmen mit einer Periodenlänge von etwa 24 Stunden, die von einer inneren biologischen Uhr (welche sich in den suprachiasmatischen Kernen des Hypothalamus befindet) gesteuert werden.
Der wichtigste zirkadiane Rhythmus ist der Schlaf-Wach-Rhythmus. Die innere Uhr koordiniert auch periodisch wechselnde Körperfunktionen wie die Körpertemperatur, die Hormonsekretion, den Blutdruck oder die Herzfrequenz.
Bei Wachkoma-Patienten sind diese Rhythmen oft stark verändert. Das Wachkoma ist eine neurologische Störung, die durch eine schwere Schädigung des Großhirns entsteht. Betroffene scheinen wach, können jedoch nicht mit ihrer Umwelt interagieren und zeigen keine Hinweise für vorhandenes Bewusstsein. Ihr Schlaf-Wach-Rhythmus ist meist stark fragmentiert und nicht mit dem Hell-Dunkel-Rhythmus synchronisiert, erklärt Monika Angerer, Senior Scientist am Fachbereich Psychologie der Universität Salzburg. "Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass ein weniger intakter Rhythmus mit schlechteren klinischen Zuständen bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen verbunden ist. Es war bisher jedoch noch unklar, inwieweit die Integrität zirkadianer Rhythmen ursächlich für den klinischen Zustand der Patienten ist und ob solche Rhythmen modifizierbar sind." Das herauszufinden, war das Ziel von Angerers Arbeit.
"Unsere Idee war, zu testen, ob es möglich ist, mit Hilfe von Licht den Rhythmus der Patienten wieder näher an den 24 Stunden Rhythmus heranzubringen, weil wir wissen, dass Licht ein wichtiger Zeitgeber ist." Konkret untersuchte Monika Angerer in dieser Studie die zirkadianen Rhythmen von Wachkoma-Patienten anhand von Messungen der Hauttemperatur und verglich dabei zwei Bedingungen: Patientenzimmer mit einer Standard-Klinikbeleuchtung versus Patientenzimmer mit einer dynamischen Tageslicht-Situation, in der eine Lichtlampe das Tageslicht dynamisch imitiert, vom Sonnenaufgang bis zur völligen Dunkelheit in der Nacht. Die Studie wurden an 17 Patienten in der Albert Schweitzer Klinik in Graz durchgeführt. "Der Effekt war, dass bei der dynamischen Lichtbedingung der Rhythmus der Patienten und Patientinnen näher an 24 Stunden herankam und dass dieser Rhythmus auch stärker ausgeprägt war. Auf der Verhaltensebene haben wir gesehen, dass die Patienten auch stärker auf externe Reize reagierten."
Was die Lichtstimulation - von nur einer Woche bei der Studie - aber nicht bewirken konnte, war eine Veränderung des klinischen Zustands der Patienten von einem Syndrom reaktionsloser Wachheit (umgangssprachlich Wachkoma; mit fehlenden Anzeichen für Bewusstsein) zu einem minimal bewussten Zustand (gekennzeichnet durch Anzeichen eines Ich-Bewusstseins oder der Wahrnehmung der Umgebung), schränkt Monika Angerer ein. "Möglicherweise braucht man dafür eine längere Dauer der Lichtstimulation. Es ist natürlich ein finanzieller Faktor, in jedem Patientenzimmer biodynamische Lichtlampen zu installieren, aber bei einer Verbesserung des klinischen Zustandes durchaus eine sinnvolle Investition. Die Idealvorstellung wäre, dass Krankenhäuser so gebaut werden, dass genügend Tageslicht hereinkommt. Optimal sind etwa Patientenzimmer wie in einem Krankenhaus in der Schweiz, wo durch Kuppeln von oben viel Tageslicht eindringen kann."
Monika Angerer, 1993 in Linz geboren, wuchs im Mühlviertel auf. 2012 kam sie zum Studium nach Salzburg, wo sie im Zuge eines Psychologie-Praktikums am Sterntalerhof, einem Kinderhospiz im Burgenland, den ersten Wachkoma-Patienten kennenlernte. Das Thema beschäftigt sie seitdem. Manuel Schabus, Professor für Kognition und Bewusstsein, und Christine Blume, Wissenschaftlerin am Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel, haben ihre Dissertation betreut.
Die große Leistung der Preisträgerin bestehe darin, dass sie "methodisch einwandfrei praxisrelevante, klinisch anwendbare Forschungsergebnisse erzielt hat", so Professor Michael Breitenbach von der Jury des MERCK-FLUXUM Dissertationspreises des Vereins Forschungsforum der Universität Salzburg. Das Preisgeld betrug 1.000 Euro.
Kontakt: Dr. rer. nat. Monika Angerer, B.Sc. B.A. M.Sc. Senior Scientist Fachbereich Psychologie Labor für Schlaf-, Kognitions- und Bewusstseinsforschung Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) Hellbrunner Strasse 34, 5020 Salzburg, Austria Tel..: +43 (0) 662 8044 5148 E-Mail: monika.angerer@plus.ac.at