Diskussion über UNO-Nachhaltigkeitsziele: "Raus aus der Komfortzone"
Keine Armut, Maßnahmen zum Klimaschutz oder hochwertige Bildung: 2015 wurden bei der UNO-Vollversammlung 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals/SDGs) beschlossen, die bis 2030 erreicht werden sollen. Zur Halbzeit schaut es nicht rosig aus, wie eine Diskussionsrunde an der Universität für Bodenkultur in Wien deutlich machte. Die Botschaft war klar: "Wir müssen vom Wissen zum Handeln kommen. Raus aus der Komfortzone und tun!", wie es Franz Fehr formulierte.
Er ist Ratsvorsitzender des Projekts UniNEtZ (Universitäten und Nachhaltige Entwicklungsziele), das sich zentral mit diesen Zielen auseinandersetzt. Sein Boku-Kollege Georg Gratzer argumentierte Dienstagnachmittag ähnlich: "Wir vermitteln Jahr für Jahr, wie es ums Ökosystem, um die Gesellschaften steht, und die Situation wird Jahr für Jahr schlechter." Man müsse die Probleme missionsorientiert angehen, um sich diesen großen Herausforderungen zu stellen. Wichtig sei allen voran, ein Bewusstsein für die Nachhaltigkeitsziele zu schaffen.
Wucht entwickeln in der Straßenbahn
"Es geht darum, Wucht zu entwickeln", so Gratzer. "Wir müssen uns auf unsere Hinterbeine stellen und klare Forderungen stellen." Ein Beispiel könne man sich an der Fridays-for-Future-Bewegung nehmen, die viel angestoßen habe. "Ich stelle mir vor, dass jede Straßenbahn in Wien, ein jeder Zug der ÖBB einem SDGs zugeordnet ist." Darin könnten Wissenschafter sitzen und mit den Leuten reden. "Wir stehen zur Verfügung und halten unsere Veranstaltungen an solchen Orten ab", so Gratzer. "Wir bringen die SDGs in die Öffentlichkeit, aber nicht ein bisschen. Sondern so, wie bei uns große Werbekampagne gefahren werden. Dann wird auch was passieren."
Der deutsche Biodiversitätsforscher Josef Settele gab zu Bedenken, dass es oft dauert, bis Forschung zu den Menschen durchdringe - so sei es auch bei den SDGs. "Es nimmt aber langsam ein bisschen Fahrt auf." Selbst wenn aktuell angesichts des Krieges in der Ukraine und der Abhängigkeit vom russischen Gas über Kohlekraftwerke oder Atomkraft diskutiert werde, erkenne er in der Extremsituation auch eine Chance. "Wir sind gezwungen, anders zu denken", verwies er auf die notwendige Diversifizierung der Herkünfte unserer Energieressourcen. "Vielleicht beschleunigt sich sogar, grüne Energie zu produzieren, wenn auch nicht in diesem oder nächstem Jahr. Ich bin da gar nicht so pessimistisch."
Österreich "auf sehr schlechtem Weg"
Dass Österreich Nachholbedarf in puncto Nachhaltigkeitsziele hat, unterstrich Studentin und Fridays-for-Future-Aktivistin Katrin Hipmair. "Auf dem Weg zur Klimaneutralität etwa ist Österreich im Vergleich zu anderen industrialisierten Ländern auf einem sehr schlechten Weg." Seit 1990 seien die Treibhausgasemission nicht gesunken, dennoch wolle man in 20 Jahren zur Klimaneutralität kommen. Da reiche es nicht, dass im aktuellen Regierungsprogramm etliche in diese Richtung zielende Punkte enthalten sind, wenn die entsprechenden Gesetze fehlen. "Eskaliert die Klimakrise in den nächsten 20 oder 30 Jahren, dann sind auch alle anderen SDGs am besten Weg in eine Negativspirale."
Es sei eigentlich keine Frage, dass die SDGs in die richtige Richtung zielen, sagte Klaus Steiner vom Außenministerium. Heikel werde es ohnehin erst eine Ebene darunter. "In der konkreten Umsetzung gilt es, mit vielen Trade-offs fertig zu werden und auch Leute zu überzeugen, die nicht unbedingt davon profitieren." Angesichts der vielen Akteure, von Politik über Verwaltung und Wissenschaft bis zu Zivilgesellschaft und Wirtschaft, brauche es eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz. "Es sind gesellschaftliche Aushandlungsprozesse, die nicht ganz simpel zu steuern sind", so Steiner.
SDG-Dialogforum in Wien
Bereits vergangene Woche waren die UNO-Nachhaltigkeitsziele Thema beim zweiten SDG-Dialogforum, das in Wien stattgefunden hat. Die im Rahmen der "Agenda 2030" festgehaltenen Punkte sollen alle Staaten der Welt dazu anspornen, ihre soziale, wirtschaftliche und ökologische Lage zu verbessern. Der Bogen reicht vom Recht auf Nahrung über jenes auf Arbeit und saubere Umwelt bis hin zu jenem auf bezahlbare Energie.
Service: UNO-Nachhaltigkeitsziele unter: https://sdgs.un.org/goals