Krausz: Grundlagenforschung kommt nicht aus Laune heraus
Die Entwicklung der Attosekundenphysik sei ein "großartiges Beispiel dafür, wie Grundlagenforschung funktionieren und Ideen zusammenbringen kann, selbst wenn die Menschen hinter diesen Ideen einander gar nicht kennen", sagte der ungarisch-österreichische Physiknobelpreisträger Ferenc Krausz in Stockholm. Er und seine Ko-Preisträger, Anne L'Huillier und Pierre Agostini, hätten nicht eng kooperiert, er habe sich aber von ihnen "inspirieren lassen", so Krausz.
Die drei Physiker erhalten die Auszeichnung "für experimentelle Methoden zur Erzeugung von Attosekunden-Lichtpulsen für die Untersuchung der Dynamik von Elektronen in der Materie". Zwanzig oder dreißig Jahre nach den Pionierarbeiten der nun ausgezeichneten Wissenschafterinnen und Wissenschafter würden sich neue Türen öffnen.
Grundlagenforschung sorgt für unvorhergesehene Anwendungen
Krausz, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, forscht selbst seit Jahren intensiv an neuen Wegen der Blutanalyse, auch unter Einsatz der Attosekundentechnologie, um Krankheiten möglichst früh zu erkennen. Man sehe hier, "dass Grundlagenwissenschaft nicht aus einer reinen Laune heraus" gemacht werde, sondern später in vielen Fällen äußerst "unvorhergesehene Anwendungen" mit sich bringen kann, sagte er bei der Pressekonferenz der diesjährigen Physik- und Chemie-Laureaten sowie der Preisträgerin im Bereich Wirtschaftswissenschaften.
Das zeige auch die heurige Chemie-Auszeichnung für Moungi Bawendi, Louis Brus und Alexei Jekimow für deren Beiträge zur Entdeckung von Quantenpunkten - oder "künstlichen Atomen". Er habe "keine Ahnung" davon gehabt, dass man damit einmal neuartige Bildschirme herstellten wird können, erklärte Brus bei der Pressekonferenz. Man sehe, wie Ideen oft andere Entwicklungsrichtungen einschlagen als Grundlagenforscher glauben. Daher sei es auch so "extrem schwer, zukünftige Technologien vorherzusagen".
Mittelkürzungen als große Gefahr
Gleichzeitig hätten viele Menschen versucht den Prozess von der wissenschaftlichen Basis in Richtung Produkte abzukürzen. Das sei aber kaum wo wirklich gelungen. "Es dauert immer noch um die 30 Jahre", sagte Bawendi. Diese Unplanbarkeit in dem Prozess zeige auch, dass Mittelkürzungen im dem Bereich die große Gefahr bergen, sich selbst zukünftiger Technologien zu berauben. Man könne gewisse Dinge "nicht einfach so beschleunigen", betonte Jekimow, "alles geht Schritt nach Schritt".
Für L'Huillier ist klar, dass der Physik-Nobelpreis der Attosekundenphysik deutlich mehr Sichtbarkeit bringt und nun noch mehr Menschen über technologische Anwendungen nachdenken lässt. Ohne die Netzwerke, die vor allem in Europa im Forschungsbereich bestehen und weiterentwickelt werden, seien die Fortschritte nicht möglich gewesen, so die aus Frankreich stammende Physikerin, die heute an der Universität Lund (Schweden) arbeitet.
Die diesjährige Nobelpreisträgerin im Bereich Wirtschaftswissenschaften, die US-Forscherin Claudia Goldin, wird am Sonntag (10. Dezember) für die "Aufdeckung der wichtigsten Ursachen für geschlechtsspezifische Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt" geehrt.
Man dürfe nicht vergessen, dass bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Vergangenheit viele Fortschritte gemacht wurden, es aber noch mindestens ebenso viel zu tun gibt. Die Covid-19-Pandemie habe gezeigt, dass Fortschritte - zum Beispiel im Bildungsbereich - recht rasch wieder abhanden kommen können. Angesprochen auf die jüngste PISA-Studie mit teils starken Rückgängen etwa bei den Mathematik-Kompetenzen in vielen Ländern zeige sich, dass Schulschließungen große negative Effekte haben können. Es gebe aber auch Positives: So habe die Pandemie etwa Telearbeit vorangebracht. Das könne Menschen mit Pflegeverantwortung - und das sind in den meisten Fällen immer noch Frauen - eine langersehnte Flexibilisierung von Arbeitstätigkeit und damit neue Möglichkeiten bescheren, so Goldin.