Studie: Kohlenstoff-Speicherung in Gebäuden bisher kaum klimarelevant
Der Holzbau wird als potenzieller Kohlenstoffspeicher intensiv diskutiert, da er diesen mittel- bis langfristig binden und damit von der Atmosphäre fernhalten kann. Viel Hoffnung auf einen größeren Beitrag zur Klimawende sollte man sich aber nicht machen, zeigte ein Forschungsteam des Instituts für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien kürzlich in einer Studie.
Dazu berechneten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter um Erstautorin Lisa Kaufmann den gesellschaftlichen Kohlenstoffbestand, also die gesamte Menge des in Materialbeständen wie Gebäuden und Infrastrukturen enthaltenen Kohlenstoffs, für den Zeitraum von 1900 bis 2015. Neun Weltregionen und insgesamt acht kohlenstoffhaltige Komponenten, wie Holzprodukte oder Plastik, wurden unter die Lupe genommen.
Laut der in der Fachzeitschrift "Environmental Research Letters" veröffentlichten Studie wuchs der globale gesellschaftliche Kohlenstoffbestand von 2,5 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) im Jahre 1900 um das 16-Fache auf 42 Gigatonnen im Jahr 2015. Im Jahr 1900 steckte den Angaben zufolge weniger als ein Viertel des Kohlenstoffs in Verbindungen, bei denen der Kohlenstoff auch über lange Zeiträume gespeichert bleibt - zum Beispiel in Schotter aus Kalkstein. Im Jahr 2015 betrug der Anteil dieser Verbindungen, die für die Klimapolitik nicht unmittelbar relevant sind, bereits fast zwei Drittel.
Beton speichert weniger Kohlenstoff, aber langfristiger
Aktiver Kohlenstoff etwa aus Biomasse und fossilen Rohstoffen hingegen kann potenziell klimarelevant sein und legte im selben Zeitraum nur um das 8-Fache von 1,9 auf 16,8 Gigatonnen zu. "Der Anteil des aktiven, klimarelevanten Kohlenstoffs im Bestand sank also deutlich. Grund dafür ist die veränderte Zusammensetzung der Baubestände", erklärte Kaufmann gegenüber der APA. So wurde über die Jahre mehr mit Beton und Asphalt, in denen weniger Kohlenstoff, dafür aber langfristiger gebunden ist, als mit Holz gebaut.
Die in 115 Jahren gespeicherte Menge an aktivem Kohlenstoff entspreche dabei lediglich vier Prozent der Kohlenstoffmenge, die für die Einhaltung des Paris-Zieles (Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5-Grad) bis zum Jahr 2100 der Atmosphäre entnommen werden müsste, relativiert die Forscherin. Und auch der jährliche Zuwachs der Kohlenstoffbestände um netto 0,49 Gigatonnen stehe der Freisetzung von 9,9 Gigatonnen aus fossilen Brennstoffen und industriellen Prozessen gegenüber. Gebäude und Infrastruktur als Speicher für kurzfristig für die Atmosphäre relevanten Kohlenstoff würden daher eher vernachlässigbar scheinen, wenn gleichzeitig die 20-fache Menge aus Fossilenergie freigesetzt wird.
"Wir können nicht in die Zukunft schauen, aber in den vergangenen 115 Jahren wurde relativ wenig Kohlenstoff in Materialbeständen gespeichert, im Vergleich zu dem, was zur Stabilisierung des Klimas gemacht werden muss. Mit Holz zu bauen und hier viel einzuspeichern wird daher wahrscheinlich mehr Bedeutung zugesprochen als es hat", sagte Kaufmann. Viel wichtiger sei aktuell, die CO2-Emissionen sofort zu beenden. Gleichzeitig werde Kohlenstoff auch im Wald gespeichert, was auch der Biodiversität diene. "Holznutzung hat Vorteile gegenüber anderen Materialien und Bauen ist noch immer besser als verbrennen. Aber wir sollten diese Speichermöglichkeiten nicht überschätzen", so die Sozialökologin.
Service: https://doi.org/10.1088/1748-9326/ad236b