"Das Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium: eine Erfolgsgeschichte"
"Andere Forschungszugänge und -arbeiten zu erleben, mit anerkannten ForscherInnen eng zusammenzuarbeiten, Forschungsfragen in einer kontinuierlichen Zusammenarbeit in aller Tiefe zu ergründen und zu bearbeiten und andere Kulturen kennen zu lernen..."; "Zahlreiche damals geschlossene Kontakte sind bis heute von Bedeutung"; "Für eine wissenschaftliche Karriere bringt ein mindestens einjähriger Aufenthalt an einer anderen Forschungsstätte in einem anderen Land enorme Entwicklungsmöglichkeiten"; "Das Jahr in Harvard war für mich ein Meilenstein in meiner wissenschaftlichen und persönlichen Entwicklung."
Das sind nur einige wenige beispielhafte Zitate, sie stammen aus den vielen positiven Berichten ehemaliger Schrödinger-StipendiatInnen und heute renommierten WissenschafterInnen in Rückschau auf ihre Erfahrungen während ihres Stipendiums und dessen Bedeutung für die spätere Karriere. Neben dem großen Einfluss auf die eigene wissenschaftliche Entwicklung steht immer auch die Persönlichkeitsentwicklung im Fokus. Ganz große Bedeutung haben die umfangreichen Erfahrungen mit neuen, bisher nicht im Detail durch eigenes Erleben vertrauten (Wissenschafts-)kulturen: "Es lief aber nicht alles so ganz glatt, und auch dies war sehr wichtig für meine spätere Entwicklung. So lernte ich angesichts verschiedener unangenehmer Erfahrungen, meine vornehme Zurückhaltung aufzugeben und mir meine Rechte zu erstreiten"; "Die Forschungskultur in Stanford ist eine andere als z.B. in Österreich. Es gibt keine 'geregelten' Arbeitszeiten, und so arbeiteten wir praktisch jeden Tag mit unterschiedlichsten Beginnzeiten. So hat mich die Frage auch nicht verwundert 'Is that right that you do not work on the weekends in Europe?'"; "Nicht zuletzt ist die geografische Umgebung von Stanford sehr inspirierend. Ein Schmelztiegel von Kulturen zwischen San Francisco und dem Silicon Valley....". Diese Zitate und noch viel mehr Berichte finden sich auf der Website des FWF 'im Fokus Schrödinger' und wurden für diesen Beitrag beispielhaft ausgewählt (www.fwf.ac.at/de/wissenschaft-konkret/im-fokus-schroedinger/karrieren/).
Ende 2015 sind es 30 Jahre, seit das Schrödinger-Auslandsstipendiumsprogramm in vollem Umfang läuft. Obwohl in diesem langen Zeitraum einige Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen wurden, hat das Programm noch immer dasselbe Ziel: es ermöglicht jungen WissenschafterInnen am Beginn ihrer Karriere die Mitarbeit an führenden Forschungseinrichtungen im Ausland und den Erwerb qualitativ hochwertiger Auslandserfahrung in der Postdoc-Phase. Das Programm wurde 1985 gestartet und am Ende desselben Jahres präsentierte der damalige Wissenschaftsminister und heutige Bundespräsident Heinz Fischer gemeinsam mit dem damals amtierenden FWF-Präsidenten Kurt Komarek die erfolgreiche Bilanz des ersten Jahres der Erwin-Schrödinger-Stipendien: "Das Programm fand einen überraschend hohen Anklang, und die große Zahl der Anträge ist Beweis dafür, dass damit eine wichtige forschungspolitische Lücke erkannt und geschlossen werden konnte."
Wie wir alle wissen, haben sich die Rahmenbedingungen in der Grundlagenforschung in den vergangenen 30 Jahren signifikant geändert. Das Schrödinger-Stipendienprogramm und das Interesse dafür wurde durch die Änderungen in der Wissenschaft jedoch keineswegs abgeschwächt. Ganz im Gegenteil - es ist auch heute eine Erfolgsgeschichte sowie eine Geschichte vieler individueller Erfolge.
Der FWF lässt seine Programme in regelmäßigen Abständen extern evaluieren, um die Effizienz und Aktualität zu überprüfen und Verbesserungspotenziale im Programmdesign frühzeitig zu identifizieren. Eine umfassende Programmevaluierung 2006 war ausgesprochen positiv. Vor allem der Impact auf die Karriereentwicklung der ehemaligen "Schrödinger-Fellows" war beeindruckend: so beschrieben die EvaluatorInnen die Wirkung des Programmes folgendermaßen: "Das Erwin-Schrödinger-Programm bringt eine Elite an WissenschafterInnen hervor", immerhin hatten 15 Jahre nach der Förderung 50 Prozent der ehemaligen Schrödinger-StipendiatInnen den Karrieresprung zu ProfessorInnen gemacht.
Schwächen im Programm, die in der Evaluierung aufgezeigt wurden, wie etwa die kritische Rückkehrphase nach dem Auslandsaufenthalt nach Österreich bzw. die manchmal vor allem in einigen Fachbereichen zu kurze Projektlaufzeit, konnten in Folge durch die Einführung einer Rückkehrphase behoben werden.
Um zu prüfen, ob die vorgenommenen Adaptionen die gewünschte Wirkung hatten, wurde vom FWF 2014 neuerlich eine externe Evaluierung in Auftrag gegeben. In dieser sollte auch erhoben werden, ob in unserem digitalen, global vernetzten Zeitalter die physische Mobilität und der damit verbundene Wechsel des Arbeitsplatzes noch immer eine unumstrittene Bedeutung für eine wissenschaftliche Karriere hat. Die Evaluierung wurde von Fraunhofer ISI in einem Methodenmix aus Befragungen und bibliometrischen Analysen vorgenommen. Die Ergebnisse in der Gruppe der Schrödinger-StipendiatInnen wurden mit zwei Kontrollgruppen (die einerseits den Auslandsaufenthalt durch andere Quellen finanzierten bzw. andererseits keinen Auslandsaufenthalt nachweisen konnten) verglichen.
Das Endergebnis war sehr positiv: Die Zahlen sind auch diesmal beeindruckend: 47 Prozent aller Schrödinger-StipendiatInnen, die vor 2005 ihr Stipendium antraten, haben heute Professuren (betrachtet man alle Fellows mit Projektbeginn vor 1995 sind es sogar 64 Prozent). Dass ein Auslandsaufenthalt in der Postdoc-Phase karrierefördernd ist, war ein erwartbares Ergebnis, das herausragende Zeugnis für das Schrödinger-Programm - sichtbar beim Vergleich zur Kontrollgruppe mit Auslandsaufenthalt - war dann doch positiv überraschend. Die Schrödinger-StipendIatinnen schnitten etwa beim Publikationsoutput besser ab als die Kontrollgruppe der Postdocs mit Auslandsaufenthalt aus anderen Finanzierungsquellen.
Zwei Ergebnisse der Befragung geben Hinweise auf die Gründe hierfür: a) die Reputation der gewählten Gastinstitutionen wird als sehr wichtig hervorgehoben, und b) die Zeit, die die StipendiatInnen während des Aufenthalts im Gastinstitut ausschließlich für Forschung verwenden können, betrug bei mehr als zwei Drittel der Schrödinger-StipendiatInnen fast 100 Prozent. Dies war bei WissenschafterInnen, die den Aufenthalt aus anderen Quellen finanzierten, nicht im selben Ausmaß der Fall. Schrödinger-StipendiatInnen wiesen wiederholt darauf hin, dass in ihrer gesamten Karriere der Auslandsaufenthalt die forschungsintensivste Zeit in ihrer beruflichen Entwicklung darstellte. Höchste Reputation der Gastinstitution und ausreichend Zeit für Forschung verbunden mit enger Kooperation mit WissenschafterInnen der Gastinstitution führen in der Regel zu einem hohen Publikationsoutput (den die bibliometrische Analyse erfassen und nachweisen konnte). Wesentlich für eine exzellente wissenschaftliche Karriere sind also heute noch: Internationale Mobilität, Zeit, intensive Beschäftigung mit eigenen Forschungsprojekten, internationale Zusammenarbeit - teilweise in angesehenen Netzwerken - all dies bedient das Schrödinger-Programm im höchsten Maße mit nachweislich großem Erfolg.
So gut und wichtig der Auslandsaufenthalt bei der Evaluierung für die Karriereentwicklung gewertet wurde, so ernüchternd war die Rückmeldung, dass die Karriereperspektiven in Österreich von den ForscherInnen als unattraktiv eingeschätzt werden. Die Motivation der hoch qualifizierten jungen ForscherInnen, nach Österreich zurückzukehren, ist in manchen Bereichen gering. Dies hängt nicht zuletzt mit suboptimalen Bedingungen an den österreichischen Forschungsstätten im Allgemeinen zusammen. Im Besonderen wurden die wenig attraktiven Karriereperspektiven in der Wissenschaft in Österreich und die ungünstigen Dienstvertrags-Regelungen (Kettenvertragsregelung) beklagt. Es kam auch heraus, dass WissenschafterInnen immer wieder trotz nachweislich guter Forschungsleistungen keinen attraktiven Job in Österreich finden. Wenn die Karrierechancen im Ausland besser sind, fehlt den jungen ForscherInnen der Anreiz, nach Österreich zurückzukehren.
Persönliche Erfahrungen, die die Autorinnen des Berichts während ihres Auslandsaufenthalts gewonnen haben:
Barbara Zimmermann
Seit 2004 betreue ich nun im FWF das Erwin-Schrödinger-Programm, habe unzählige Anträge gesehen, eine große Menge an WissenschafterInnen beraten und auch vielen ForscherInnen empfohlen, den Schritt ins Ausland zu wagen. Viele Berichte habe ich gelesen und viele Feedbacks gehört. Vor allem aber sind es die persönlichen Geschichten, die diesem Gesamtbild viele Gesichter leihen. Eine große Anzahl von Artikeln aus der ganzen Welt findet man im Archiv des FWF Info Magazins in der Serie 'unterwegs' (www.fwf.ac.at/de/wissenschaft-konkret/info-magazin/).
Auch wenn ich selber schon lange nicht mehr forsche, bin ich froh, meine Auslandserfahrungen in meiner aktiven wissenschaftlichen Zeit gemacht zu haben. So kann ich heute Probleme und Ängste, aber auch Freude und Erfolge besser nachempfinden, und traue mich auch mit meinem ganz persönlichen Erfahrungsschatz junge WissenschafterInnen mit Kindern zu ermutigen, ihre Projekte im Ausland durchzuführen. Meine beiden Kinder haben in Rom während meiner Stipendienaufenthalte laufen gelernt. Wir hatten nicht viel Geld, aber waren nach unserer Rückkehr nach Österreich um viele Erfahrungen reicher. Ein Aspekt, den ich sehr deutlich wahrnahm war, dass Mütter anderswo nicht sofort als Rabenmütter gelten, wenn sie ihre kleinen Kinder nicht rund um die Uhr betreuen. Auch, dass man mit Flexibilität und Kreativität schwierige Situationen lösen kann, habe ich bei meinem Auslandsaufenthalt praktizieren müssen und lernen können. Rückblickend war es eine ganz tolle Zeit und so kann ich mich nur immer wieder der Aufforderung anschließen "Go west, young (wo)man", die Himmelsrichtung kann aber natürlich variieren.
Christine Mannhalter
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich alle Rückmeldungen und Evaluierungsergebnisse vollinhaltlich unterstreichen. Für mich war der zweijährige Postdoc-Aufenthalt zwischen 1977 und 1979 in Los Angeles in vielfacher Hinsicht prägend. Ich sah, wie in Labors in den USA geforscht wird, lernte, wie man sich gezielt auf die Erarbeitung publizierbarer Ergebnisse konzentriert, und wie man sich bei kleinen und großen Meetings präsentiert, austauscht und weiterbildet. Mir wurde während dieser Zeit auch klar, dass nicht immer alles klappt, dass man aber nach einem Misserfolg nicht den Kopf hängen lassen darf, sondern aus Fehlern lernen muss und einfach neu beginnen soll. Vieles davon war "damals" in Österreich nicht standardmäßig üblich. Ich lernte aber auch privat eine andere Welt kennen - unmittelbar nach meiner Ankunft besaß ich bereits mehrere Kreditkarten, hatte ein eigenes Telefon in jedem Zimmer (in Wien gab es damals für StudentInnen bestenfalls Viertelanschlüsse), und fand Einkaufsmöglichkeiten rund um die Uhr (alle Supermärkte hatten 24 Stunden geöffnet). Außerdem konnte ich - trotz wenig Geld und Urlaub - zahlreiche neue Städte und Länder kennenlernen, da Flüge in den USA damals sehr billig waren. Von diesen sehr positiven beruflichen und privaten Erfahrungen habe ich seither vielen MitarbeiterInnen erzählt und sie motiviert, ebenfalls ins Ausland zu gehen. Leider funktioniert die Motivation nicht immer - junge österreichische MitarbeiterInnen sind des öfteren der Ansicht, dass es ihrer Karriere mehr hilft, wenn sie in Österreich bleiben und hier Netzwerke aufbauen (dies hörte ich immer wieder von jungen WissenschafterInnen). Rezent habe ich aber doch zwei DissertantInnen motivieren können, Auslandserfahrung zu sammeln. Ihre Erfahrung ist in jeder Hinsicht positiv. Ich werde auch zukünftig meine persönlichen guten Erfahrungen im Ausland weitergeben und junge WissenschafterInnen dazu anregen, wagemutig zu sein und den Schritt in ein fremdes Land nicht nur als Urlaubsreisende zu wagen.