Klima-Glossar: Urban Forestry
Bäumen wird in Städten eine immer bedeutendere Rolle zugeschrieben. Sie sollen negative Auswirkungen der Klimaerwärmung abmildern und urbane Räume lebenswerter machen. Unter dem Begriff "Urban Forestry" werden Maßnahmen zusammengefasst, die dazu beitragen sollen. Doch mit dem schlichten Pflanzen von Bäumen ist es dabei nicht getan, für die effiziente Umsetzung müssen Städte ein überlegtes Konzept ausarbeiten, bei dem auch die humanen Bewohner der Stadt nicht vergessen werden.
Betreibt eine Stadt Urban Forestry geschickt, verbessern sich Luft- und Wasserqualität und die Artenvielfalt wird unterstützt. Zudem werden durch den kühlenden Effekt der Verdunstung und der Beschattung von Straßen und Gebäuden hohe Temperaturen abgemildert. Damit stellt diese Art der Städteplanung eine ernst zu nehmende Möglichkeit zur Steigerung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Menschen dar. Als Folge erhöht sich die Zufriedenheit von Stadtbewohnern und soziale Konflikte verringern sich. Urban Forestry, ein aus dem angloamerikanischen Sprachraum stammendes Konzept, schließt alle Bäume in einem städtischen Gebiet mit ein, von Straßenbäumen über Parkanlagen bis zu Waldflächen an den Stadträndern.
Urbaner Hitzeinseleffekt wird verschärft
In den vergangenen Jahren sind Hitzewellen in Mitteleuropa immer mehr zur Normalität geworden, unter der besonders die Stadtbevölkerung zu leiden hat. Versiegelte, die Sonneneinstrahlung absorbierende Flächen, verminderte Luftzirkulation und fehlende Vegetation sorgen für höhere Temperaturen als in der ländlichen Umgebung. Dieser als urbaner Hitzeinseleffekt (UHI) bezeichnete Unterschied wird durch die Klimaerwärmung und die steigende Zahl der Hitzetage verschärft.
München, die am dichtesten besiedelte Stadt Deutschlands, hat eine bis zu sechs Grad höhere Lufttemperatur als ihre ländliche Umgebung. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) hat den Kühlungseffekt von Linden mit jenem von Robinien verglichen und Erstaunliches festgestellt: Unter dem vergleichsweise lichten Blätterdach von Robinien ist es vor allem an heißen Sommertagen kühler, wenn der Untergrund eine Grasfläche ist. Die im allgemeinen Sprachgebrauch als "Akazie" bekannte Baumart benötigt weniger Wasser als die Linde. So bleibt der Boden darunter feuchter und das Gras reduziert über die Wasserverdunstung die Temperatur in Bodennähe. Auf gepflasterten Flächen kühlen Baumarten wie die Linde besser, weil sie einen dichten Schatten werfen. Allerdings benötigt die Linde bis zu drei Mal so viel Wasser wie die Robinie, ein Aspekt den man in der Stadtplanung in Zukunft noch mehr berücksichtigen müssen wird.
Welche Bäume sich besonders für den urbanen Raum eignen richtet sich nach den Anforderungen, die sie erfüllen müssen sowie ihren eigenen Standortsansprüchen. Sie müssen Belastungen wie Streusalz, Hundeurin, Emissionen, Bodenverdichtung, mechanische Beschädigungen und Hitzestress gut wegstecken können und dürfen keine Gefahr für die Bewohner darstellen. Wien hat mit dem Zürgelbaum bereits gute Erfahrungen gemacht, auch die resistente Platane, der widerstandsfähige Ginkgobaum und eben die wassersparende Robinie könnten in Zukunft das Stadtbild stärker prägen. Expertinnen und Experten sind sich jedenfalls einig, dass es möglichst viele verschiedene Baumarten sein sollen, um die Biodiversität zu erhöhen und die heimische Tierwelt zu fördern.
"Die Grüne Stadt aus forstlicher Sicht"
Die Studie "Die Grüne Stadt aus forstlicher Sicht" des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) aus dem Jahr 2022 hat sich die Situation in Österreich genauer angesehen. Viele regionale Aktivitäten gäbe es bereits in dieser Richtung, von der Baumanzucht bis zum Klimagasmonitoring würden sich sehr viele Organisationen, Firmen, Vereine und Personen mit den Themen der grünen Stadt auseinandersetzen. Eine gemeinsame Strategie fehle jedoch. Im Zuge der Studie wurde auch eine Modellierung für die Stadt Klagenfurt gemacht. Setze man entsprechende Klimaanpassungsmaßnahmen, nehme die Wärmebelastung ab. Die durchschnittliche Anzahl der heißen Tage pro Jahr würde sich um 20 Prozent verringern, mit zusätzlichen Aufforstungen in der Nähe der Stadt sogar um 27 Prozent, so das wenig überraschende Ergebnis.
Auf die positive Wirkung von Stadtbäumen setzen mittlerweile zahlreiche österreichische Städte mit unterschiedlichen Maßnahmen. Villach und St. Pölten setzen unter anderem auf das sogenannte Schwammstadtprinzip. Dabei handelt es sich um eine Bauweise, bei der Niederschlagswässer möglichst lange unter der Oberfläche gehalten werden, um das Kanalsystem zu entlasten und gleichzeitig die Bäume zu versorgen. Aber auch das bloße Nichtstun kann schon ein entscheidender Schritt sein. So konnte sich am alten Verschubbahnhof in Wien-Breitenlee ein artenreicher Lebensraum mit Trockenrasen, naturnahen Wäldern und Teichen ausbilden, weil das Areal nie in seiner ursprünglichen Größe verwendet worden war. Anfang Juni wurde die Fläche nun offiziell als "Naturschutz-Areal Breitenlee" präsentiert und damit für die Zukunft vor baulichen Eingriffen geschützt. In der Bundeshauptstadt und in Wiener Neustadt wird vom BFW das Konzept der "Tiny Forests" erforscht. Diese Miniwälder definieren sich als dicht mit Bäumen und Sträuchern bepflanzte Flächen unter 1.000 Quadratmetern, die alle entscheidenden Vorteile eines Waldes in die Stadt bringen sollen.
Vorschlag: 3-30-300-Regel
Der Niederländer Cecil Konijnendijk, ein auf Urban Forestry spezialisierter Förster, hat die 3−30−300-Regel entwickelt, eine Faustregel für die Stadtplanung. "Auf Grün zu blicken, in Grün zu leben und Grün zu nutzen, das ist der Grundgedanke", erzählt er im Interview mit dem Magazin "Lichtung" des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW). Die Regel besagt, dass es besonders gesundheitsförderlich sei, wenn jeder Mensch mindestens drei gesunde, große Bäume vor seiner Wohnstätte vorfindet, jedes Viertel über einen Baumbestand von wenigstens 30 Prozent verfügt und Bewohner nur mindestens 300 Meter bis zur nächsten Grünfläche zurücklegen müssen. Ein wichtiges demokratisches Instrument sei zudem, dass Grünflächen auch in ärmeren Gegenden errichtet und erhalten werden, betont Konijnendijk. "Jede Grundversorgung sollte Grün und Bäume bereitstellen, das ist gut für unsere Gesundheit, für das Klima, und jeder sollte Zugang dazu haben. Nicht nur die Leute, die viel Geld haben", wünscht sich der Wissenschafter.
Nicht zuletzt wird die Stadtplanung mit entsprechender Aufklärungsarbeit und bewusstseinsbildenden Maßnahmen die Akzeptanz und Verantwortung der Bevölkerung erhöhen müssen. Pflanzen werden von den meisten Menschen in ihrem täglichen Leben übersehen, im Englischen gibt es dafür sogar den Begriff "Plant Blindness". Wird jedoch die öffentliche Aufmerksamkeit verstärkt auf das Stadtgrün gelenkt, entsteht eine Art Beziehung zwischen Menschen und Pflanzen, bei der das Bewusstsein für deren Bedürfnisse im Speziellen sowie das Verständnis für Naturräume generell einen guten Nährboden finden kann.