Bäume spielen in Wolkenbildung hoch oben überraschend große Rolle
Der vor allem von Bäumen in den Regenwaldregionen der Erde produzierte Kohlenwasserstoff Isopren dürfte eine größere Rolle bei der Entstehung von Wolken spielen als bisher angenommen. Zwei Studien im Fachblatt "Nature" legen nahe, dass das Molekül in oberen Atmosphärenschichten als recht effizienter Wolken-Geburtsbeschleuniger fungiert. Damit sollte es zukünftig als neuer, wichtiger Akteur in den hochkomplexen Abläufen, die auch klimarelevant sind, berücksichtigt werden.
Die Grundlagen der Wolkenentstehung und ihres Wachstums werden seit 2009 unter Laborbedingungen im Rahmen des internationalen Atmosphären-Forschungsprojekts CLOUD (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) am Europäischen Labor für Teilchenphysik CERN bei Genf untersucht. In einem 26 Kubikmeter großen Edelstahltank kann die Bildung von Aerosolpartikeln und Wolken unter extrem präzise kontrollierbaren Bedingungen untersucht werden. Am Gesamtprojekt und an einer der aktuellen "Nature"-Studien beteiligt sind auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter von den Universitäten Wien und Innsbruck.
Wie entstehen Wolken eigentlich?
Ein Mitgrund für Unschärfen in Vorhersagen für die globale Klimaerwärmung ist, dass noch nicht alle atmosphärischen Vorgänge verstanden werden. So etwa, wie darin enthaltene Gase und Schwebstoffe zur Wolkenbildung beitragen. Das ist allerdings ein zentraler Faktor für das Weltklima, da Wolken Sonnenstrahlung reflektieren und dadurch einen kühlenden Effekt haben.
Damit sich die aus winzigen Wassertröpfchen bestehenden Gebilde formieren können, braucht es winzige Partikel, an denen der Wasserdampf kondensieren kann. Bei den Kondensationskeimen oder Aerosolen handelt es sich um feste oder flüssige Partikel. Sie entstehen durch natürliche Prozesse oder menschliche Aktivitäten: Als Wolkengeburtshelfer können etwa Salz aus dem Meer, Wüstensand, Schadstoffe aus Industrie und Verkehr oder Rußpartikel von Feuern oder auch von Bäumen emittierte organische Gasmoleküle fungieren - vor allem in tropischen Regionen wie dem Amazonas.
Von Bäumen und Menschen
Etwa die Hälfte der Kondensationskeime entsteht aber erst in der Luft, indem sich verschiedene gasförmige Moleküle verbinden, in den festen Aggregatzustand übergehen, nach und nach wachsen und schließlich Kondensationskeime bilden. Dieser Vorgang wird Nukleation oder Partikelneubildung genannt.
Das Gros der durch menschliche Aktivität beigesteuerten Gase, die zur Partikelneubildung beitragen, macht Schwefeldioxid aus. Es stammt großteils aus der Verbrennung von Kohle und Öl. Zu den wichtigsten natürlichen Gasen, die bei der Nukleation eine Rolle spielen, zählen Kohlenwasserstoffe, die von Pflanzen, vor allem von Bäumen, freigesetzt werden. Die häufigsten darunter sind sogenannte Isoprene, um die sich Partikel bilden können, wenn sie in der Luft mit anderen Verbindungen, wie etwa Schwefeldioxid, oxidieren.
Schwefelsäure verstärkt Effekt zusätzlich
Diesem Akteur dürfte den neuen Untersuchungen zufolge eine größere Rolle zukommen, als zuvor vermutet. Denn Erkenntnisse aus dem CLOUD-Tank und Messungen mit Flugzeugen aus rund 20 Jahren zeichnen ein einheitliches Bild: In der oberen Troposphäre, die über dem Amazonas in rund 17 bis 18 Kilometern liegt, werden viele solche Teilchen gebildet. Aus Satellitenbildern ist wiederum ersichtlich, dass sich dort unerwartet viel Isopren tummelt, heißt es in einer Aussendung der Uni Wien.
Die Bedingungen vor Ort simulierte das CLOUD-Team nun. Dabei wurde klar, dass sich bei den rund minus 50 Grad Celsius in der oberen Troposphäre in Anwesenheit von Isopren hurtig neue Teilchen bilden. Gaben die Forscherinnen und Forscher noch geringe Mengen an Schwefelsäure dazu, stiegen die Nukleationsraten hundertfach. "Die Ergebnisse zeigen, dass Isopren die Teilchenneubildung über weite Gebiete der oberen tropischen Troposphäre wesentlich steuert, obwohl es bodennah die Partikelneubildung eher hemmt", wird der Aerosolphysiker und Co-Studienautor Paul Winkler von der Uni Wien zitiert.
Mögliche Auswirkungen auf globale Strahlungsbilanz
Sinken die Partikel dann ab, fungieren sie scheinbar als global bedeutende Kondensationskern-Quelle für tiefliegende Wolken, die sich dann auf die Strahlungsbilanz auswirken. In einem Perspektivenartikel zu den aktuellen Arbeiten argumentiert James Allan von der University of Manchester (Großbritannien) dafür, Isoprene künftig auf die Liste der wichtigen Player bei der Wolkenbildung aufzunehmen.
Service - https://dx.doi.org/10.1038/s41586-024-08196-0