Milzsteifigkeit als Schlüssel zur Diagnose der portalen Hypertonie
Die fortgeschrittene Lebererkrankung ist die zweithäufigste Ursache verlorener Erwerbsjahre, da überproportional häufig junge Patient:innen betroffen sind. Mögliche Komplikationen dieser Erkrankungen lassen sich häufig auf Bluthochdruck im Blutkreislauf der Leber zurückführen - eine portale Hypertonie. Unter der Leitung von Mattias Mandorfer von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie von MedUni Wien und AKH Wien wurde nun das NICER-Modell entwickelt, welches ohne einen invasiven Eingriff die prozentuale Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer portalen Hyptertonie errechnen kann.
Zu den auftretenden Komplikationen bei Lebererkrankungen, die auf einen Bluthochdruck in der Leber zurückzuführen sind, gehören unter anderem Bauchwasser (Aszites) oder innere Blutungen. Wird eine portale Hypertonie früh erkannt, kann das Risiko von Komplikationen durch die Therapieeinleitung mit nicht-selektiven Betablockern halbiert werden. Bisher stellte die Messung des Drucks in der Leber mittels minimal-invasiver Einbringung eines Ballonkatheters in die Leber die genaueste Methode dar, benötigt jedoch eine Expertise, die nur an wenigen Zentren weltweit vorhanden ist. Eine aus 16 solchen Zentren bestehende Studiengruppe der Baveno Cooperation unter der Leitung von Mattias Mandorfer konnte nun ein neues, auf nicht- invasiven Parametern basierendes Modell entwickeln, welches mit höchster Treffsicherheit das Vorliegen einer portalen Hypertonie bestimmen kann. Das sogenannte Non-Invasive Clinically Significant Portal Hypertension Risk Estimate (NICER)-Modell errechnet die prozentuelle Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer portalen Hypertonie und ermöglicht somit die Identifikation von Patient:innen mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen sowie die zeitnahe Behandlung dieser mit Betablockern.
Milzsteifigkeit als Indikator für Bluthochdruck in der Leber In der aktuellen Studie analysierte die Forschungsgruppe der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie ( Universitätsklinik für Innere Medizin III) Patient:innen mit einer Lebersteifigkeit von mindestens 10 Kilopascal, was einer fortgeschrittenen Lebererkrankung entspricht, die jedoch noch keine Komplikationen aufwiesen. Mit Hilfe der Milzsteifigkeit, gemessen mittels nicht-invasiver Elastographie, einem Bildgebungsverfahren, welches die Steifigkeit oder Elastizität von Gewebe misst, konnte die Diagnostik der portalen Hypertonie gegenüber dem bisherigen Standard - einer Kombination aus Lebersteifigkeit und Blutplättchenzahl - entscheidend verbessert werden. "Die Milzsteifigkeit wurde bereits seit einigen Jahren beforscht, jedoch ermöglichte erst eine seit Kurzem verfügbare technische Verbesserung deren breiten klinischen Einsatz", erläutert der Erstautor Mathias Jachs.
Aussagekräftige Ergebnisse auch bei einer "Fettleber" Die Mehrheit der bisherigen Studien zur nicht-invasiven Diagnostik der portalen Hypertonie basierte auf vor Langem rekrutierten Patient:innengruppen, die häufig an Virushepatitis litten. Durch die therapeutischen Fortschritte auf diesem Gebiet und die Zunahme des metabolischen Syndroms, ein Sammelbegriff für häufig gemeinsam auftretende Risikofaktoren (Übergewicht, hoher Blutzucker, erhöhte Blutfettwerte, etc.), ist die steatotische Lebererkrankung, gemeinhin bekannt als Fettleber, die führende Ursache der portalen Hypertonie. "Initial bestand eine Verunsicherung bezüglich der Aussagekräftigkeit der nicht-invasiven Methoden bei diesen Patient:innen. Unsere Studie basiert auf kürzlich eingeschlossenen Patient:innen des AKH Wien und anderer europäischer Expertenzentren, die meist an steatotischer Lebererkrankung leiden. Durch die Berücksichtigung des BMI beeinflusst dies jedoch die Treffsicherheit unseres Diagnosemodelles nicht."
Die besagte Studie ist Teil der klinischen Forschungsgruppe (KFG) MOTION, an der Mathias Jachs und Mattias Mandorfer als Work Package Leader bzw. Deputy Chair beteiligt sind, und erschien in der führenden Fachzeitschrift The Lancet Gastroenterology & Hepatology. Die MedUni Wien leistete mit der Studienkoordination einen weiteren wichtigen Beitrag zur 2026 anstehenden Aktualisierung des internationalen Konsensus zur portalen Hypertonie (Baveno VIII), an dem auch Mathias Jachs und Mattias Mandorfer mitwirken. So könnte das NICER-Modell breiten Einzug in die klinische Praxis halten.
Publikation: The Lancet Gastroenterology & Hepatology Spleen stiffness measurement by vibration-controlled transient elastography at 100 Hz for non-invasive predicted diagnosis of clinically significant portal hypertension in patients with compensated advanced chronic liver disease: a modelling study. Mathias Jachs, Aitor Odriozola, Fanny Turon, Lucile Moga, Luis Téllez, Petra Fischer, Dario Saltini, Wilhelmus J Kwanten, Maria Grasso, Elba Llop, Yuly P Mendoza, Angelo Armandi, Julia Thalhammer, Carlos Pardo, Antonio Colecchia, Federico Ravaioli, Benjamin Maasoumy, Wim Laleman, José Presa, Jörn M Schattenberg, Annalisa Berzigotti, José L Calleja, Vincenza Calvaruso, Sven Francque, Filippo Schepis, Bogdan Procopet, Agustín Albillos, Pierre-Emmanuel Rautou, Juan C García-Pagán, Ángela Puente, José I Fortea, Thomas Reiberger, Mattias Mandorfer on behalf of the SSM-100Hz/ACLD Study Group, and the Baveno Cooperation. https://doi.org/10.1016/S2468-1253(24)00234-6
Rückfragehinweis: Medizinische Universität Wien Mag. Johannes Angerer Leiter Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Tel.: 01/ 40 160 11 501 E-Mail: pr@meduniwien.ac.at Spitalgasse 23, 1090 Wien www.meduniwien.ac.at/pr Universitätsklinikum AKH Wien Karin Fehringer, MBA MSc Leiterin Informationszentrum und PR Wiener Gesundheitsverbund Tel.: +43 1 404 00-12160 E-Mail: presse@akhwien.at Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien www.akhwien.at/presse
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