20 Jahre IQOQI - "Wir müssen uns mehr trauen"
Vor 20 Jahren hat die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) mit dem Ziel gegründet, zur Weltspitze aufzusteigen. Das sei "hervorragend gelungen", sagten die geschäftsführenden Direktoren der beiden IQOQI-Institute Markus Aspelmeyer (Wien) und Gerhard Kirchmair (Innsbruck) im APA-Gespräch. Für die Zukunft wünschen sie sich mehr Mut zu wirklich unkonventionellen Ansätzen.
Frage: Das IQOQI wurde mit dem Ziel gegründet, einen "Ort höchster Exzellenzebene zu schaffen und zu den weltweit führenden Forschungszentren aufzusteigen". Ist das gelungen?
Aspelmeyer: Das ist hervorragend gelungen. Österreich hatte durch die Personen, die das IQOQI gegründet haben, schon einige Pionierleistungen auf diesem Gebiet vorzuweisen, und diesen Nukleus wollte man ausbauen. Es ist ein Paradebeispiel dafür, was Akademieinstitute leisten können: Sich in einem neuen Feld abseits der universitären Lehre auf die Grundlagenforschung zu fokussieren. Das wäre ausschließlich an den Universitäten so nie gelungen und zeigt auch die Stärke der Verbindung von Akademie mit den Universitäten.
Kirchmair: Dass dieses Ziel erreicht wurde, zeigt zum Beispiel die Neuberufung des Experimentalphysikers Hannes Bernien in Innsbruck, den wir aus Chicago abgeworben haben. Das ist nur deswegen gelungen, weil Universität und Akademie gemeinsam an einem Strang gezogen haben und wir ein exzellentes Umfeld bieten können, das seinesgleichen sucht.
Frage: Wissenschaftliche Performance zu messen ist schwierig, aber gibt es Evidenz dafür, dass Sie zur Weltspitze zählen?
Kirchmair: Man braucht nur auf unsere Highlights in den vergangenen Jahren schauen, die in allen hochrangigen Journalen publiziert wurden. Zudem ist das IQOQI sichtbar, man kennt uns und kommt gerne zu uns. Es zeigt sich auch in unserer Nachwuchsarbeit: Leute, die am IQOQI geforscht haben, sind international gefragt.
Aspelmeyer: Viele Dinge lassen sich nicht quantifizieren. Aber man kann schon sagen, dass aus dem IQOQI heraus immer wieder neue Forschungsgebiete entstanden sind. Man ist hier nicht nur hervorragend bei Dingen, die auch andere tun, sondern hat immer wieder die Vorreiterrolle übernommen und neue Gebiete eröffnet. Das waren keine One-Hit-Wonder, sondern am IQOQI wurden konstant alle fünf, sechs Jahre neue Impulse gesetzt, die zum Vorbild für andere Forschungsgruppen geworden sind.
Frage: Können Sie Beispiele dafür nennen?
Aspelmeyer: Die ersten photonischen Quantengatter, die auf Verschränkung beruhen, sind am IQOQI entwickelt worden. Das waren Anton Zeilingers frühe Arbeiten zum Quantencomputer. Die ersten Arbeiten zur Quantenoptomechanik sind 2006 in meiner Arbeitsgruppe am IQOQI entstanden. Wir sind da neue Wege gegangen, die sich zu einem eigenen Forschungsgebiet entwickelt haben.
Kirchmair: Einer der ersten Quantensimulatoren weltweit ist am IQOQI realisiert worden. Auch Experimente mit kalten Gasen, die nicht nur aus einer Atomsorte bestehen, sondern die Eigenschaft verschiedener Atome ausnutzen, zählen zu den Pionier-Experimenten.
Frage: Die Gründungsväter wie Rainer Blatt, Peter Zoller oder Anton Zeilinger haben sich aus der operativen Tätigkeit zurückgezogen, eine neue Generation an Quantenphysikerinnen und -physikern ist am Ruder. Worin unterscheiden sich die Jungen von den Alten?
Kirchmair: Schwierige Frage. Was uns verbindet ist das Interesse, etwas Neues zu machen. Wir führen die Arbeit weiter, stoßen aber in neue Gebiete vor und versuchen auch in neue Richtungen zu gehen.
Aspelmeyer: Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir uns mehr trauen müssen. Hier kann und sollte man von den früheren Generationen lernen. Neue Wege zu gehen, zeichnet herausragende Forschung aus, und die Akademie-Institute in der Kombination mit den Unis erlauben das, weil sie mehr Freiraum geben. Es liegt an uns, das maximal auszuschöpfen, mit wirklich unkonventionellen Ansätzen. Ich glaube, da gibt es noch Luft nach oben.
Frage: Mit der Gründung des IQOQI wollte man vorhandene Stärken stärken. Passiert derzeit genug, um Österreichs Stärke in der Quantenphysik weiter zu stärken?
Kirchmair: Mit den Maßnahmen der vergangenen Jahre, angefangen von den ersten Spezialforschungsbereichen, die vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wurden, bis zum Programm Quantum Austria und dem Exzellenzcluster, sind wir schon auf einem guten Weg. Wichtig ist, das auch in Zukunft konsequent weiterzuführen, um international mithalten zu können.
Aspelmeyer: Gut läuft es etwa beim Exzellenzcluster "Quantum Science Austria". Damit gelingt es, genau dort einzuhaken, wo man in Österreich angelangt ist: Man hat in den vergangenen 20 Jahren ein Ökosystem mit knapp 60 Arbeitsgruppen mit motivierten Forscherinnen und Forschern im großen Bereich Quantum Science aufgebaut, das sowohl Grundlagenforschung, angewandte Forschung bis hin zur Technologieumsetzung bespielt. Dieses Ökosystem wird mit dem Exzellenzcluster optimal bedient, hier erzeugt man jetzt maximalen Impakt und Sichtbarkeit, auch um weitere Spitzenforscher nach Österreich zu bekommen.
Wo man für die Zukunft nachlegen muss, ist im Verständnis, wohin sich die Grundlagenforschung entwickelt. Was sind die völlig offenen Fragen, die man nur an Institutionen wie Akademieinstituten beantworten kann, weil man hier langfristige Projekte realisieren kann? Man muss sich noch weiter rauslehnen, sich noch weiter in wissenschaftliches Neuland trauen. Ich sehe Potenzial etwa an der Schnittstelle zur Künstlichen Intelligenz oder in den ungeklärten Fragen zur Struktur und dem Ursprung von Raum und Zeit. Quantenoptik und -information waren vor 20 Jahren definitiv die richtigen Themen, aber was ist das Thema der Zukunft, das uns vielleicht die übernächste Quantenrevolution beschert - da haben wir noch wahnsinnig viel zu tun.
Frage: Österreich wählt in einem Monat eine neue Regierung. Was wünschen Sie sich von dieser, um das zu realisieren?
Aspelmeyer: Das Verständnis dafür, dass Grundlagenforschung die Basis für wirtschaftlichen, sozialen Wohlstand der Zukunft ist. Das ist klar dokumentiert und belegt, über Jahrhunderte hinweg. Doch diese Einsicht fehlt oft in grundsätzlichen, weitreichenden Entscheidungen der Forschungs- und Bildungspolitik.
Kirchmair: Wichtig ist auch, dass man die Zeit dafür bekommt, so etwas aufzubauen, weil das nicht von heute auf morgen geht. Es muss einfach das Vertrauen da sein, zu sagen okay, wir investieren in etwas Neues, vielleicht Riskantes und wissen noch gar nicht was rauskommt, aber es wird die Forschung weiter treiben.
Frage: Wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen den IQOQI-Standorten Wien und Innsbruck? Fährt man da mehr oder weniger parallel, ergänzt man sich oder ist es eine befruchtende Konkurrenz?
Aspelmeyer: Wir sind sehr komplementär unterwegs, was die Methoden und die Forschungsziele angeht, aber gleichzeitig profitieren wir jeweils vom Wissen der anderen. Das war auch eine Motivation im Exzellenzcluster "Quantum Science Austria": der neuen Generation diese Möglichkeit zu geben, voneinander zu profitieren.
Kirchmair: Das gilt beim Exzellenzcluster nicht nur zwischen Innsbruck und Wien, sondern für alle Gruppen über ganz Österreich. Das Schöne daran ist, dass wir alle gut miteinander auskommen, alle sehr viel und gerne miteinander reden und eine sehr gute Gemeinschaft in Österreich haben.
Frage: Wo steht das IQOQI in zehn Jahren?
Kirchmair: Wenn wir unseren Weg konsequent weiter gehen und exzellente junge Leute für die Forschung begeistern können, stehen wir auch in zehn Jahren sehr gut da.
Aspelmeyer: Ich bin stolz, dass wir es geschafft haben, am IQOQI eine Atmosphäre zu schaffen, in der unkonventionelles Denken erlaubt ist und das auch aktiv unterstützt wird. Deshalb hoffe ich, dass wir in den nächsten zehn Jahren mehr als einmal wieder mit völlig neuen Ansätzen neue Forschungsgebiete aufmachen werden, die wir jetzt noch nicht einmal antizipieren. Meine große Hoffnung ist, dass wir den Mut haben, diese Schritte zu setzen und dabei auch einmal auf die Nase fallen dürfen.
(Das Gespräch führte Christian Müller/APA)