Aids-Konferenz in Deutschland: Sorge um Finanzierung
Es gibt große Erfolge im Kampf gegen HIV und Aids - aber weiter auch immense Probleme. Um potenzielle neue Ansätze wird es nächste Woche bei der 25. Welt-Aids-Konferenz in München gehen. "AIDS 2024" wolle politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Kräfte mobilisieren, um mit HIV lebenden Menschen weltweit eine Therapie zu ermöglichen, sagte der örtliche Vorsitzende der Konferenz, Christoph Spinner, vor dem am 22. Juli beginnenden Treffen.
Die weltgrößte Zusammenkunft zum Thema HIV und Aids findet erstmals seit drei Jahrzehnten wieder in Deutschland statt: 1993 hatten sich Forschende, Gesundheitsexperten und Aktivisten in Berlin versammelt. In München werden auf Einladung der Internationalen Aids-Gesellschaft IAS bis zum 26. Juli mehr als 10.000 Teilnehmer aus mehr als 175 Ländern erwartet. Zentral soll es darum gehen, wie die Verbreitung des HI-Virus und des damit verbundenen Immunschwächesyndroms Aids weiter eingedämmt werden können. Auch neue medizinische Erkenntnisse sowie gesellschaftliche und politische Einflüsse werden diskutiert. Zur Eröffnung will laut Veranstalter Bundeskanzler Olaf Scholz sprechen.
Furcht vor Erstarken rechter Kräfte
Mit Sorge blicken Experten auf die politische Entwicklung weltweit und das Erstarken rechter und extremer Kräfte in vielen Ländern - mit der Gefahr von Diskriminierung und Verfolgung von LGBTQ-Gemeinschaften. Menschen ließen sich aus Angst vor Entdeckung oft nicht mehr testen oder ärztlich betreuen, heißt es von der Deutschen Aidshilfe. "Wo Homosexualität, Sexarbeit und Drogenabhängigkeit verfolgt werden, steigen die Zahlen", erklärte Sprecher Holger Wicht. "Überall dort, wo die betroffenen Gruppen feindlich behandelt werden, entsteht ein Riesenproblem für die Prävention", ergänzte Peter Wiessner vom Aktionsbündnis gegen AIDS.
In Wladimir Putins Russland zum Beispiel würden Betroffene zunehmend diskriminiert, es gebe keine verlässlichen Daten zur Entwicklung der HIV-Zahlen, so Wicht. "Homosexuelle Männer in Russland werden noch stärker stigmatisiert, das Klima für sie wird immer feindlicher."
In Uganda droht seit 2023 bei "schwerer Homosexualität" die Todesstrafe. Globale Organisationen wie UNAIDS, das UNO-Programm für die Bekämpfung der Immunschwächekrankheit Aids, fürchten, dass die großen Fortschritte des Landes im Kampf gegen HIV nun gefährdet sind.
Auch in Deutschland herrsche, getrieben von rechten Kräften, teils schon ein anderes Klima, sagte Wicht. "Die Menschen spüren auch in Deutschland, dass da ein anderer Wind weht, dass sie mehr bedroht sind. Wir hören zunehmend von Gewalt gegen queere Menschen. Es scheint so zu sein, dass die Feindlichkeit zunimmt, und das macht Menschen Angst - und kann zu einem stärkeren Rückzug führen."
Mit Besorgnis sehen Fachleute auch die Lage in den USA vor den Präsidentschaftswahlen. Komme Donald Trump erneut an die Macht, drohe nicht nur eine verstärkte Diskriminierung von Risikogruppen. Auch die Finanzierung diverser Programme werde wahrscheinlich geschwächt.
USA gibt das meiste Geld
Die USA sind bisher einer der größten Geldgeber für Aids-Programme. Laut UNAIDS machte die bilaterale Finanzierung durch die USA zuletzt etwa 58 Prozent der gesamten internationalen HIV-Hilfe aus. Weitere 29 Prozent kamen aus dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GFATM). Den Rest steuerten andere internationale Geber bei.
Geschätzt etwa 1,3 Millionen Menschen weltweit infizieren sich nach UNAIDS-Daten jährlich mit HIV, fast 40 Millionen leben damit. Nach wie vor sterbe jede Minute ein Mensch an Aids-bedingten Krankheiten.
Vor allem in Osteuropa steigen die Zahlen spürbar an. Die Lage dort ist ein Schwerpunkt der Konferenz. Zwischen 2010 und 2019 wurde in Osteuropa und Asien eine Zunahme der Fallzahlen um 72 Prozent durch UNAIDS berichtet.
Die Mehrheit aller weltweiten Infektionen entfalle weiter auf Afrika, sagte der Infektiologe Spinner vom Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.
Besonders Mädchen und junge Frauen sind gefährdet. Laut UNAIDS infizieren sich wöchentlich weltweit 4.000 junge Frauen, mehr als 3.000 davon im Subsahara-Afrika. Junge Frauen haben dort demnach ein dreifach höheres Infektionsrisiko als gleichaltrige Männern. Es fehle an Aufklärung, Prävention und Unterstützung, sagt Wiessner. "Die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen ist ein wirklicher Treiber der Pandemie."
Eine Ansteckung mit dem HI-Virus kann unbehandelt die Immunschwäche-Krankheit Aids hervorrufen. Antivirale Medikamente ermöglichen bei rechtzeitiger Behandlung ein weitgehend normales Leben. Zudem verhindert eine erfolgreiche Therapie eine weitere Übertragung.
Ein Viertel der mit HIV lebenden Menschen weltweit hat UNAIDS zufolge allerdings bis heute keinen Zugang zu Therapien - ein Risiko auch für die Weiterverbreitung. Dramatisch zudem die Zahlen bei den Kleinsten: Nur die Hälfte der Kinder mit HIV könnten lebensrettende Medikamente erhalten.
In vielen Teilen der Welt nicht zugänglich und auch in Europa außer bei homo- und bisexuellen Männern oft noch unbekannt ist die PrEP. Rechtzeitig vor einem Risikokontakt eingenommen, können diese Medikamente eine Infektion verhindern.
Fallzahlen konnten massiv gesenkt werden
Auch wenn die hohen Zahlen das kaum vermuten lassen: Im Kampf gegen HIV und Aids wurden bereits große Erfolge erzielt: Seit dem Höhepunkt der Neuinfektionen im Jahr 1995 mit geschätzt etwa 3,2 Millionen hat sich die Zahl laut UNAIDS mehr als halbiert. Die Todeszahlen konnten seit 2004, als rund zwei Millionen Menschen starben, auf etwa ein Drittel reduziert werden.
Die UN haben das Ziel, AIDS-assoziierte Todesfälle bis 2030 um über 90 Prozent zu senken. Schon im nächsten Jahr - so ein Teilziel - soll Aids nicht mehr als Bedrohung der globalen Gesundheit gewertet werden. Doch UNAIDS und andere Programme stecken in einer Finanzierungskrise. In manchen Ländern drohten Mittelstreichungen, sagte IAS-Sprecher Bijan Farnoudi. Damit blieben hochwirksame Medikamente, die teils auch zur Prävention eingesetzt werden könnten, für viele Menschen besonders im Globalen Süden unzugänglich.
"Es ist eine politische Entscheidung, ob die Ziele erreichbar sind", sagte Wiessner vom Aktionsbündnis gegen AIDS. Die Corona-Pandemie habe alle Aufmerksamkeit absorbiert, nun forderten andere Krisen - nicht zuletzt die Aufstockung der Verteidigungsfähigkeit in Europa angesichts des Ukraine-Krieges - hohe finanzielle Mittel.