Skigebiete laut Glaziologin für Gletscherschmelze unerheblich
Der geplante Ausbau von Gletscherskigebieten hat in Tirol und über seine Grenzen hinaus in den vergangenen Jahren für laute (politische) Diskussionen gesorgt. Nun stehen am Pitztaler und Kaunertaler Gletscher erneut Ausbaupläne an. Die Glaziologin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Andrea Fischer, hielt im APA-Interview fest, dass das "Ökosystem am Eis nicht mehr rettbar ist" und ein Skigebiet Schneeschmelze und Gletscherrückgänge nicht beeinflusse.
Aus ihrer Sicht gehe es bei der Diskussion vielmehr um den "Erhalt eines Landschaftsbildes" und sei eine "Frage der gesellschaftlichen Werte". Wenn das 1,5-Grad-Ziel nicht eingehalten werden könne - wie es der jüngste Bericht des Weltklimarates (IPCC) prognostiziert hatte - dann werden die Ostalpengletscher spätestens Ende des Jahrhunderts weg sein, wahrscheinlich aber schon um 2050. "Die einzige Maßnahme, die dies verhindern könnte, sind wirklich effiziente Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels", stellte Fischer fest und betonte die Wichtigkeit des Naturschutzes.
Den heurigen, besonders niederschlagsarmen Winter bezeichnete sie indes als "Ausreißer". An den Gletschern des Alpenhauptkammes liegen um 60 Prozent weniger Schnee als im klimatologischen Mittel, das die vergangenen 30 Jahre umfasst. Doch diese Werte seien "lokal unterschiedlich", berichtete Fischer. Am Hohen Dachstein im Nordosten sowie im Glocknergebiet sei die Situation "relativ normal". Für die Gletscher sei die Schmelze im Sommer wesentlich, zudem könne noch bis Juni Schnee fallen.
Im Hinblick auf die Errichtung von Gletscherskigebieten sei das "Argument des Gletscherschutzes obsolet geworden, weil man die Gletscher nicht mehr vor dem Menschen schützen kann. Ob man jetzt auf dem einen Gletscher Ski fährt oder nicht", sei für die "Existenz des Gletschers nicht lebensbedrohlich". Die Glaziologin merkte darüber hinaus an, dass auch, wenn der Gletscher weg ist, dort ein Skilift betrieben werden könne. Die Betreiber müssten eben damit rechnen, dass mal "ein, zwei Jahre kein Schnee fällt".
Kein Hinweis auf Gefahren durch Pistenpräparierung
Fischer gab allerdings zu bedenken, dass es bei einem Gletscherrückgang zu einer vorübergehenden Labilisierung von bestimmten Teilflächen kommen könne - etwa wenn Permafrost zum Vorschein kommt - oder sich Sedimente bei Starkniederschlägen in Bewegung setzen können. Doch es sei ihr "keine Studie bekannt", die zeigen würde, dass sich beispielsweise durch Pistenpräparierung Naturgefahren verändern würden.
Diese Fragen würden aber in den UVP-Verfahren genauestens geprüft. Bei der geplanten und mittlerweile abgesagten "Gletscher-Ehe" zwischen Pitztaler und Ötztaler Gletscher sei jedoch der Eindruck vermittelt worden, "dass Menschen, die in den Alpen wohnen, in einer unkontrollierten Art und Weise Naturzerstörung betreiben". Doch im Gegenteil gebe es "sehr strenge Richtlinien, wie Verfahren geführt werden", sagte Fischer. Bei den UVP-Verfahren würde sie sich aber oftmals mehr "Mut zu einer politischen Entscheidung" wünschen, "weil es immer Vor- und Nachteile gibt". Vielfach werde zu sehr auf "relativ kleine Details geachtet, die den Blick aufs große Ganze verstellen".
Dass Verfahren zehn Jahre und mehr dauern, würde die Transformation des Energiesystems schon "sehr stark bremsen", meinte sie zudem. Sie verstehe Projektwerber und Behörden, die zuweilen von einer "Art Verzweiflung erfasst werden", wenn es am Ende "zehn Kubikmeter Akten" zu beurteilen gäbe. "Eine gewisse Ehrlichkeit zu einer Wertediskussion würde uns guttun und die Effizienz der Verfahren verbessern", riet die Wissenschafterin.
Über die vorliegenden Ausbaupläne wollte sie indes keine Beurteilung abgeben. Die Massebilanz der Gletscher würde durch Snowfarming - das bezeichnet die Konservierung von Schnee im Sommer durch Abdecken - jedenfalls nur "geringfügig verbessert". Die Flächen, die in Anspruch genommen werden, seien aber im Vergleich zum ganzen Gletscher sehr klein.
(Das Gespräch führte Alexandra Kreuzer/APA)