Rauch für mehr Forschung zu Long Covid, keine Maßnahmen mehr
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) setzt im Umgang mit Corona und den gesundheitlichen Folgen auf Forschung und Weiterentwicklung der Behandlungsmöglichkeiten. Dies betreffe sowohl die akute Erkrankung, aber auch Langzeitfolgen. Generelle Maßnahmen oder Verordnungen der Bundesregierung wird es - "Stand heute" - keine mehr geben, wiederholte er. Für das Wahljahr 2024 warnt Rauch eindringlich vor einem Rechtsruck. Auch müsse die soziale Frage wieder in den Fokus rücken.
"Ich kann die Sehnsucht von allen verstehen, die die Nase voll haben von Covid", betonte der Minister im APA-Jahresabschluss-Interview. "Ich habe immer gesagt, die Pandemie wird verschwinden oder sich verändern oder weniger werden - aber das Virus wird bleiben. Also es wird einfach jede Saison da sein, so wie die Grippe auch." Und es mache natürlich in gewissen Situationen Sinn, etwa eine Maske zu tragen.
Einschränkungen von Freiheitsrechten wie in der Vergangenheit seien jedoch nur gerechtfertigt, wenn eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Man habe gute Instrumente - etwa das Abwasser-Monitoring und das SARI-Dashboard: "Wir wissen, was sich in den Spitälern abspielt." Österreich sei weit von einer Überlastung des Gesundheitssystems entfernt - mit laut Rauch aktuell rund 1.200 COVID-19-Patientinnen und -Patienten in den Spitälern, auch jetzt in der bisher mit Abstand größten Welle an Ansteckungen. Jeder Gesundheitseinrichtung bleibe es freilich selbst überlassen, im Rahmen der Hausordnung - wie es auch jetzt aktuell teils der Fall ist - Maßnahmen wie beispielsweise eine Maskenpflicht zu erlassen.
Bezüglich der möglichen Langzeitfolgen einer Covid-Infektion verwies der Minister auf die gesetzten Maßnahmen und erwartet weitere Forschungsergebnisse. Die vom Obersten Sanitätsrat empfohlenen Schritte werde man alle umsetzen, sprach Rauch etwa das geplante Referenzzentrum für postvirale Erkrankungen an (wie etwa Long/Post Covid oder ME/CFS). "Was die Langzeitwirkung angeht, da ist die Forschung einfach offen. Da differieren die Zahlen der Long-Covid-Betroffenen von fünf Prozent bis 40 Prozent, wobei ich die fünf Prozent für zu niedrig halte, die 40 für zu hoch, aber das ist meine Meinung." Man müsse abwarten, wo die wissenschaftliche Evidenz dann landet.
Long Covid ernst nehmen
"Faktum ist, das sei schon auch gesagt: Man kann einfach nicht sagen, es existiert kein Long Covid oder ME/CFS ist eine Erkrankung, die quasi nur eine psychosomatische ist", sprach der Minister auch die in Teilen der Wissenschaft noch schwelende Diskussion um eine somatische Ursache der Erkrankung an. "Da sind die Betroffenen zu Recht verärgert, fühlen sich nicht ernst genommen und allein gelassen. Das ernst zu nehmen und da die entsprechenden Schritte zu setzen, das tun wir", versicherte Rauch.
Befürchtungen, dass der niedergelassene Bereich mit der Behandlung von Long Covid- bzw. Post Covid- oder ME/CFS-Patienten überfordert sein könnte, wies Rauch zurück. So erinnerte er etwa an ein von der Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM), Susanne Rabady, entwickeltes Tool für die niedergelassene Ärzteschaft, mit dem man "online sozusagen Symptomatiken abchecken kann".
Das heiße, die Information der Ärztinnen und Ärzte finde "sehr niederschwellig statt", betonte Rauch. Und es gebe auch "Fort- und Weiterbildung" auf Kongressen - Vorwürfe, dass nichts passiere, seien daher unzutreffend.
Um der geringen Impffreudigkeit der Österreicher - vor allem bei Covid, aber etwa auch Influenza - entgegenzuwirken, will Rauch vor allem auf "Bewusstseinsbildung" setzen. Es brauche einen "Kampf gegen die Wissenschaftsfeindlichkeit" im Land. "Das sehe ich schon, weil ja manche der Meinung sind, die Erde ist eine Scheibe und Impfen nützt nichts", sagte er - auch mit Blick auf die FPÖ. "Mit dem Unfug muss man aufräumen, dem muss man entgegenstehen und das tun wir auch."
Impfangebote annehmen
Eine Notwendigkeit für eine größere Impfkampagne wie sie es in der Anfangsphase der Corona-Pandemie gegeben hatte, sieht Rauch aber nicht: "Das ist schlicht der Erfahrung geschuldet, dass große Kampagnen nicht wirklich etwas bewegen." Auch sieht er einen hohen Informationsstand der Bevölkerung - fast drei Jahre nach den ersten Corona-Impfungen. Man habe vielmehr auf Länderebene "sehr gezielt" Alten- und Pflegeheime aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Bewohner aufgefrischt werden. Rauch setzt dabei auch stark auf die Hausärzte: "Ich glaube, dass die Basisinformation sozusagen von unten nach oben in der Arztpraxis die allerbeste Information ist." Denn dort bestehe Vertrauen, "das glauben die Menschen auch".
Dass die Überführung des Impfprogramms - auch bei Influenza - in den niedergelassenen Bereich nicht ganz so wie erhofft funktioniert hat, räumt Rauch aber ein: Das habe - anfangs - "nur bedingt funktioniert." Daher habe er mit den Gesundheitslandesräten in der jüngsten Sitzung der Bundeszielsteuerungskommission vereinbart, im Jänner die Lehren zu ziehen und für die kommende Impfsaison besser vorbereitet zu sein. Beim Influenza-Impfstoff waren ja beispielsweise die Kontingente für die Gratis-Impfungen teils rasch vergriffen.
Gleichzeitig rief der Minister neuerlich dazu auf, die Impfangebote wahrzunehmen: "Impfen schützt und die Impfung wirkt", dies sei anderslautenden Verschwörungstheorien entgegenzuhalten. "Natürlich ist die Corona-Impfung sinnvoll und schützt vor schwerwiegenden Verläufen. Natürlich ist die Influenza-Impfung sinnvoll" - insbesondere für Risikopatientinnen und Patienten über 60 Jahren. Und ebenso schütze etwa die HPV-Impfung - "die wir jetzt gratis gemacht haben bis 21 Jahre" - davor, möglicherweise an Krebs zu erkranken, erinnerte der Minister an eines seiner Projekte.
Zufrieden ist Rauch auch mit der im Dezember im Nationalrat beschlossenen Gesundheitsreform. "Ich würde das schon als Riesenwurf bezeichnen", sagte er. Ihm sei es darum gegangen, die Situation für die Patienten und Patientinnen zu verbessern und etwa einen "einheitlichen Katalog an Leistungen vom Bodensee bis zum Neusiedlersee" zu schaffen. Dass nicht alle Maßnahmen sofort wirken, ist dem Minister bewusst: "Jetzt wird es darum gehen, in die Umsetzung zu kommen."
Reform wirkt mittelfristig
Volle Wirkung entfalten werde die Reform in ein bis drei Jahren, "wenn tatsächlich im niedergelassenen Bereich der Ausbau stattgefunden und dann die Entlastung der Spitäler stattgefunden hat". Die "gute Nachricht" laute: "Wir haben jetzt schon deutlich über 50 Primärversorgungseinrichtungen eröffnet, fünf davon sind Kinder-PVEs. 30 haben wir in der Pipeline."