Innsbrucker Forscher entdeckten 600 bisher unbekannte Zwerggalaxien
Mit Hilfe des im Vorjahr gestarteten ESA-Weltraumteleskops Euclid wurden in einer von Innsbrucker Forscherinnen und Forschern geleiteten Studie im Perseus-Galaxienhaufen 1.100 Zwerggalaxien identifiziert, 630 davon waren bisher unbekannt. Die Entdeckung ist Teil der ersten wissenschaftlichen Ergebnisse des Weltraumteleskops der Europäischen Weltraumorganisation ESA, die am Donnerstag veröffentlicht und in zehn Publikationen auf dem Preprint-Server arXiv dokumentiert wurden.
Die im Zuge der ersten Beobachtungsphase erstellten Daten von Euclid umfassen 17 astronomische Strukturen, von nahen Gas- und Staubwolken bis hin zu weit entfernten Galaxienhaufen. In nur 24 Stunden wurden dabei über elf Millionen Objekte im sichtbaren Licht und weitere fünf Millionen im Infrarotlicht registriert - für die ESA "ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Euclid leisten kann".
Liefert repräsentative Stichprobe aller Galaxien
Die ersten Ergebnisse würden die Stärken von "Euclid" demonstrieren: "Das neue Instrument kann einen großen Bereich des Sternenhimmels auf einmal beobachten und liefert damit eine repräsentative Stichprobe aller Galaxien", sagt Laila Linke vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck in einer Aussendung. Durch die hohe Sensitivität auf Oberflächenhelligkeit würden sich auch Zwerggalaxien und sehr diffuse Galaxien finden lassen.
Das ist etwa im Fall des Perseus-Galaxienhaufens gelungen, "mit einer Entfernung von rund 240 Millionen Lichtjahre ein relativ naher und auch sehr massereicher Galaxienhaufen", wie Linke gegenüber der APA erklärte. Ein Team um Francine Marleau von der Uni Innsbruck identifizierte nicht nur 1.100 aufgrund ihrer geringen Leuchtkraft nur schwer zu findende Zwerggalaxien in dem Haufen, sondern analysierte auch ihre Struktur und Größe und konnte die Leuchtkraftfunktion bestimmen, die angibt, wie viele Galaxien mit einer bestimmten Leuchtkraft es gibt.
Solche Zwerggalaxien sind laut Linke mit 1.000 bis zu einer Mrd. Sterne deutlich kleiner als etwa die Milchstraße mit mindestens 100 Mrd. Sternen und haben auch nicht die von unserer Heimatgalaxie bekannte Scheiben- bzw. Spiralform. Noch kleiner sind sogenannte Sternhaufen: Rund 5.000 solcher bisher unbekannter Sternenhaufen wurden auf den ersten Bildern des Weltraumteleskops im Fornax-Galaxienhaufen entdeckt. Auch bisher unbekannte Galaxien in der "näheren" Nachbarschaft der Erde fanden sich auf den Bildern - wobei "näher" für die Astronomen 1,6 Mio. bis 29,7 Mio. Lichtjahre Entfernung bedeutet.
Dunkler Materie auf der Spur
Galaxienhaufen sind Strukturen ungeheuren Ausmaßes: Sie bestehen aus Tausenden Galaxien, die durch Schwerkraft aneinander gebunden sind und auch sehr viel Dunkle Materie enthalten. Diese rätselhafte Materie, die 27 Prozent des gesamten Energie- und Materiehaushalts des Universums ausmacht, ist nicht sichtbar, sondern zeigt sich nur durch ihre Gravitationswirkung. Ihre Masse beeinflusst nicht nur die Bewegung der Sterne und Galaxien im Haufen, sondern verzerrt auch das Licht von weit entfernten Hintergrundgalaxien.
Diesen sogenannten Gravitationslinseneffekt beobachtete Tim Schrabback vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Uni Innsbruck mit einem internationalen Team beim Galaxienhaufen Abell 2390. "Unsere Studie zeigt, wie hervorragend das neue Instrument für diese Analyse geeignet ist", so Schrabback. "Über die Verzerrung der Formen von Hintergrundgalaxien konnten wir die Verteilung der dunklen Materie im und rund um den Galaxienhaufen vermessen."
Das 1,2-Meter-Weltraumteleskop "Euclid" soll in den nächsten Jahren Milliarden von Galaxien beobachten und so die größte und genauste 3D-Karte des Universums erstellen. Die rund 2.000 Wissenschafter aus 15 Ländern, die die Missionsdaten auswerten, hoffen mithilfe des Instruments, mehr Anhaltspunkte darüber zu erlangen, wie sich das Universum nach dem Urknall ausgedehnt hat, wie sich die Strukturen im Universum entwickelt haben und was hinter der bisher unerforschten Dunkle Materie und Dunkle Energie steckt.
Die von "Euclid" aufgenommenen Bilder sind laut ESA mindestens viermal schärfer als jene von bodengebundenen Teleskopen. Das Weltraumteleskop könne "große Bereiche des Himmels mit großer Detailgenauigkeit und Tiefe abdecken und eine Vielzahl unterschiedlicher Objekte auf einem Bild festhalten - von schwachen bis zu hellen, von weit entfernten bis zu nahen Objekten, von den massivsten Galaxienhaufen bis zu kleinen Planeten", so ESA-Wissenschafts-Direktorin Carole Mundell.
Service: Internet: https://www.esa.int/euclid