Junge Wissenschaft fördern. Grundlagen stärken. Klare Strukturen schaffen!
Gastbeitrag --- Eine künftige Bundesregierung steht vor vielen Herausforderungen. Der Bereich der Universitäten und Hochschulen, die Forschung, Lehre und die "dritte Mission" sind hier ganz wesentlich, bilden sie doch einen großen Teil jenes Bodens, auf dem die Zukunft unserer Gesellschaft wachsen wird.
Die Grundlagenforschung stärken!
Die Grundlagenforschung, wie an Universitäten betrieben, bildet die Basis für jeden Fortschritt - technisch, medizinisch und naturwissenschaftlich - und stellt die Weichen für gesellschaftliche und kulturelle Weiterentwicklungen unserer Gesellschaft. Sie ist die Basis jeder angewandten Forschung und trägt wesentlich zur ständigen Transformation unserer Lebensrealität und zur Lösung der brennenden Probleme unserer Zeit bei. Sie ist also nicht nur wichtig, sie ist essenziell.
In Österreich lebt die Grundlagenforschung und damit viele (junge) Wissenschafterinnen und Wissenschafter größtenteils von Projektgeldern des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF). Da es in unserem Land - im Gegensatz zu vielen anderen Industrienationen - keine nennenswerten privaten Stiftungen oder Fördereinrichtungen gibt, wünsche ich mir diesbezüglich zwei Dinge von einer künftigen Bundesregierung:
- eine höhere Dotierung des FWF, um die Grundlagenforschung besser als bisher zu finanzieren;
- ein Nachschärfen des Stiftungsrechts, um die Förderung von Wissenschaft und Forschung deutlich zu attraktiver zu gestalten.
Den Dialog mit der Bevölkerung fördern!
Während und nach der Pandemie ist das Vertrauen in die Wissenschaft sichtbar gesunken. Es ist daher unser aller Aufgabe, dieses Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Das Gelingen bedarf eines intensiven Dialoges mit den Menschen. Es braucht in dem Zusammenhang keine neuen Datenbanken und Webseiten, sondern die Ausbildung und Attraktivierung dieser wichtigen Aufgaben für unsere Wissenschafterinnen und Wissenschafter, insbesondere für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Denn diese treten bei entsprechenden Veranstaltungen nicht selten in den direkten Dialog mit den Menschen. Ergänzt werden sollte das mit einem Konzept, um das Interesse für und das Verständnis von Wissenschaft möglichst frühzeitig zu wecken. Und das beginnt bei der Elementarpädagogik, Portugal ist hierfür ein eindrucksvolles Beispiel. Daher wünsche ich mir:
- Anerkennung dieser Vermittlungsaktivitäten als einen zählbaren Faktor auf dem Karriereweg von (jungen) Wissenschafterinnen und Wissenschafter;
- einen österreichweiten Dialog aller Stakeholder zu Wissenschaftskommunikation sowie eine Evaluierung der bestehenden Maßnahmen gemäß dem Motto "Gutes vernetzen, weiterführen und ausbauen - weniger Gutes abschaffen";
- anhand der europäischen Best-Practice-Beispiele eine mittel- und langfristige Strategie, um das Verständnis für die Wissenschaft und das wissenschaftliche Arbeiten schon sehr früh zu wecken.
Den Hochschulstandort klar strukturieren!
In den letzten Jahren hat es im österreichischen Hochschulwesen bemerkenswerte Entwicklungen gegeben: Wir verfügen heute über 22 Universitäten, 21 Fachhochschulen, 17 Privatunis sowie zwei private Hochschulen, in Summe also mehr als doppelt so viele, wie das deutlich größere deutsche Bundesland Bayern. Nicht immer sind die Studienangebote regional optimal abgestimmt. Im Sinne der Qualitätssicherung und der Effizienz wäre es inzwischen wünschenswert, diese Vielfalt zu strukturieren, klare Aufgabenprofile zu definieren und Schwerpunkte zu setzten. Hochschulbildung darf kein Einheitsbrei werden, und gute Forschung braucht kritische Masse sowie ein produktives wirtschaftliches Umfeld. Hier wünsche ich mir hier eine offene und konstruktive Diskussion.
Wissenschaft ernst nehmen!
In den vergangenen Jahren ist die Wissenschaft - und damit viele Wissenschafter:innen - vermeintlich stärker in den Fokus der Politik geraten. Was auf den ersten Blick positiv wirkt, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als Schimäre. Wissenschaft bzw. Wissenschafter:innen werden nicht selten als Feigenblatt missbraucht oder gar als Verantwortliche für politische Entscheidungen dargestellt. Hier, so zeigen erste wissenschaftliche Untersuchungen, liegt auch ein wesentlicher Faktor für die steigende Wissenschaftsskepsis in der Gesellschaft.
Daher wäre es wünschenswert, dass die Aufgabe von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern das Einbringen von Expertise ist, und jene der Politikerinnen und Politiker, daraus politische Entscheidungen abzuleiten. Für diese Entscheidungen müssen letztere dann auch die Verantwortung übernehmen und diese nicht an die Wissenschaft abschieben. Wissenschaft ernst zu nehmen heißt auch, breite Erkenntnisse zu akzeptieren und diese nicht bei Bedarf und aufgrund kurzsichtiger Wahltaktiken über Bord zu werfen.
Zur Person:
Veronika Sexl ist Rektorin der Universität Innsbruck und ist eine international anerkannte Wissenschafterin auf dem Gebiet der Krebsforschung. Nach dem Medizinstudium in Wien und Forschungsaufenthalten in Seattle und Memphis, USA, wurde sie 2007 Professorin an der Medizinischen Universität Wien und 2010 Institutsleiterin an der Veterinärmedizinischen Universität (Vetmed) Wien. Sie war Mitglied in verschiedenen wissenschaftlich-strategischen Gremien, darunter im Rat der Medizinischen Universität Wien, der European Hematology Association (EHA), österreichische Delegierte für den Rat von EMBO/EMBL und Senatsvorsitzende der Vetmed. Sexl ist wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Service: Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik "Nachgefragt" auf APA-Science. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.