Antireflex-Schicht lässt Wellen ungehindert Barrieren durchdringen
Reflexionen stören die Ausbreitung von Wellen, etwa wenn es darum geht, ein WLAN-Signal am anderen Ende der Wohnung zu empfangen. Forscher aus Wien und Rennes stellen nun im Fachjournal "Nature" eine Methode vor, mit der sie eine maßgeschneiderte Antireflex-Struktur berechnen können, die Reflexionen zur Gänze verhindert. Damit können Wellen einer bestimmten Frequenz unverändert ein Hindernis passieren - also etwa das gesamte WLAN-Signal reflexionsfrei eine Wand durchdringen.
Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der Technischen Universität (TU) Wien und sein Team haben in den vergangenen Jahren immer wieder erstaunliche Phänomene mit maßgeschneiderten Lichtwellen gezeigt. Im Vorjahr präsentierte er beispielsweise einen Lichtstrahl, dessen Wellenform so maßgeschneidert wurde, dass er praktisch jedes ungeordnete Material - etwa ein Stück Würfelzucker - unverändert durchdringen kann und dabei nur abgeschwächt wird. Für alle anderen Wellen ist der Würfelzucker undurchdringbar, weil sie an der komplexen Struktur gestreut, verändert und abgelenkt werden.
Neuen Ansatz verfolgt
In der aktuellen Arbeit verfolgten sie einen anderen Ansatz, von dem bisher nicht einmal auf theoretischer Ebene klar war, ob das überhaupt möglich ist: "Wir berechnen diesmal nicht die Wellenform sehr genau, sondern wie eine Beschichtung beschaffen sein muss, dass eine einfallende Welle ein Hindernis reflexionsfrei passieren kann", erklärte Rotter gegenüber der APA.
Dazu schicken die Forscher zunächst bestimmte Wellen durch das Hindernis und vermessen sehr präzise, auf welche Weise sie von dem Material reflektiert werden. Mit dieser Information können sie mithilfe der von ihnen entwickelten mathematischen Methode ein entsprechendes Ausgleichs-Medium berechnen. In Kombination mit dem Hindernis ermöglicht die Antireflex-Schicht der Welle, beide Medien vollständig zu durchdringen.
Entscheidend ist dabei nur die Frequenz und damit die Wellenlänge. "Gleich welche Wellenform - wenn die Frequenz passt, wird die Welle perfekt auf die andere Seite geleitet", so Rotter.
Getestet haben das die TU-Forscher mit Kollegen der Universität Rennes, und zwar mit Mikrowellen: Diese wurden zunächst durch einen metallischen Wellenleiter geschickt, in dem die Wellen an Dutzenden ungeordnet platzierten kleinen Objekten gestreut werden. Dadurch gelangt nur rund die Hälfte der Mikrowellenstrahlung auf die andere Seite, der Rest wird reflektiert.
Reflexion fast vollständig zum Verschwinden gebracht
Nach exakter Analyse dieses Streuverhaltens haben die Forscher mit der neuentwickelten Methode ausgerechnet, welche zusätzlichen Streupunkte eine Antireflex-Schicht enthalten muss, damit die Welle das Hindernis ungehindert passieren kann. Nachdem diese Schicht realisiert wurde, konnte die Reflexion fast vollständig zum Verschwinden gebracht werden.
In der Praxis funktioniert das gut mit Wellen im Mikrowellenbereich, also mit größeren Wellenlängen, weil man dabei "nicht so viele Parameter für die Antireflex-Schicht optimieren muss", sagte Rotter. "Im optischen Bereich wird man nicht durch eine Wand durchschauen können." Denn für ein so großes System wie eine Wand und so kleine Wellenlängen wie im sichtbaren Licht müsste man eine Antireflex-Struktur mit Milliarden von Parametern berechnen und herstellen, was praktisch kaum möglich sei. Zudem werde Licht von der Wand nicht nur gestreut, sondern auch absorbiert. "Die Antireflex-Schicht kann aber nur die Rückstreuung verhindern, nicht die Absorption", so der Physiker.
Dennoch sehen die Wissenschafter zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten: Neben einem besseren WLAN-Signal nennen sie auch bildgebende Verfahren, etwa in der Biophysik, oder 6G. Wenn man es schaffe, Mobilfunksignale möglichst reflexionsarm vom Sender zum Empfänger zu senden, könnte man ihre Intensität reduzieren.
Service: https://doi.org/10.1038/s41586-022-04843-6