Neobiota beschäftigen Wissenschaft schon eine Weile
Der Zuzug und Einfluss von Tieren, Pflanzen, Pilzen oder gar Mikroorganismen in ein Gebiet, in dem sie ursprünglich nicht heimisch waren, beschäftigt Biologen bereits seit einiger Zeit. Die Problematik, im Sinne möglicher negativer Effekte für die einheimische Flora und Fauna, wurde ungefähr ab den 1950er-Jahren erkannt und näher untersucht. Das erklärte die Umwelthistorikerin Gertrud Haidvogl im Gespräch mit APA-Science.
Erste Beiträge mit diesem Blickwinkel tauchen in den USA auf, wo etwa im Colorado River gezielt "fremde" Fischarten ausgesetzt wurden, um sie für die Fischerei zu nutzen. Interessanterweise thematisierten Forscher das immerhin schon vor mehr als 60 Jahren kritisch, sagte Haidvogl, die am Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien auch zum Thema historische Fischfauna arbeitet.
Kaum Einspruch bis zur Geburt der Invasionsbiologie
Just zu diesem Zeitpunkt begann auch in Österreich eine Kontroverse rund um die ab den 1880er-Jahren in unseren Breiten ausgesetzten, eigentlich aus Nordamerika stammende Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss). Sie wurde aus fischereiwirtschaftlichen Überlegungen eingeführt und steht seither teilweise in Konkurrenz zur einheimischen Bachforelle (Salmo trutta fario). Am Ende des 19. Jahrhunderts habe es auch unter Forschern noch keine lauten Gegenstimmen zu dem Vorgehen gegeben. Als die schnellwüchsigen, für Angler attraktiveren Fische nach dem 2. Weltkrieg in Österreich wieder forciert wurden, war die Stimmung unter Fischökologen bereits eine andere.
In das Bild passt auch, dass der einflussreiche britische Öko- und Zoologe Charles Sutherland Elton (1900 bis 1991) das Thema im Jahr 1958 in seinem Buch "The Ecology of Invasions by Animals and Plants" breit aufgriff und damit den Forschungszweig der Invasionsbiologie begründete. Elton thematisierte auch bereits drohende "Invasionen" durch Krankheitserreger, die sozusagen im Rucksack neuer Arten mitreisen können, wie Haidvogl festhielt. Der Zoologe beschrieb etwa einen Fall, in dem die Verschleppung einer Stechmückenart von Afrika nach Südamerika dort zu einer Malariaepidemie führte.
Größeres Thema seit den 1980er-Jahren
Die Sichtbarkeit solcher Entwicklungen wurde vor allem durch die fortschreitende Globalisierung des Handels nach dem Zweiten Weltkrieg größer. Auf Basis eines breiteren Problembewusstseins habe sich bis zu den 1980er-Jahren eine eigene "internationale Community um das Thema formiert, in den 1990er-Jahren tauchen dann die ersten globalen Studien auf", so die Boku-Forscherin.
Historischer Fischbestand als gut dokumentierter Glücksfall
Wie sich der Fischbestand in Österreich in der Vergangenheit entwickelt hat, lasse sich glücklicherweise recht gut anhand relativ umfangreicher, bis ins Mittelalter zurückreichender Aufzeichnungen analysieren. Der Fokus liege laut Haidvogl natürlich darauf, was damals an Fischarten verzehrt wurde.
Hinsichtlich Neobiota-Zuzug in heimischen Gewässern wird neben der Regenbogenforelle vor allem der Karpfen öfters erwähnt. Dieser sei allerdings ein "Spezialfall", weil sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet vermutlich schon vor Jahrtausenden bis in das heutige Staatsgebiet Österreichs reichte.
"Waldviertler Karpfen" als Invasor
Im klassischen heutigen Karpfengebiet - dem Waldviertel - ist er hingegen keine heimische Art, "das ist vielen Leute nicht bewusst", sagte die Umwelthistorikerin. Trotzdem er schon sehr lange in Europa anzutreffen ist, wird der Karpfen auf der Liste der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) als einer der gefährlichsten Vertreter der Neobiota in Europa geführt.
Blinder Passagier findet neue Rückzugsräume
Im Gegensatz zu willentlich eingeführten Arten, ließen sich aus der jüngeren Vergangenheit mehrere Beispiele nennen, wo das Neu-Auftreten von Fischen durch eine Kombination aus Verbreitung über Handelswege und wasserbaulichen Maßnahmen begünstigt wurde. So etwa bei der Schwarzmund-Grundel (Neogobius melanostomus), die als blinder Passagier über die Donauschifffahrt von der Schwarzmeermündung nach Österreich gelangten. Hier hätte sie sich seit 1990 wohl kaum etabliert, wäre ihr nicht die Flussregulierung entgegengekommen.