Klima-Glossar: Planetare Grenzen
Wie weit darf der Mensch gehen, bis er den Planeten irreversibel verändert? Das beantworten die sogenannten "planetaren Grenzen". Das Konzept soll einen "sicheren Handlungsspielraum" für die Menschheit innerhalb neun messbarer Grenzen des Planeten darstellen. Mehrere dieser Grenzen wurden allerdings bereits überschritten.
Der Begriff wurde vor allem von dem schwedischen Wissenschafter Johan Rockström geprägt, der ihn erstmals 2009 gemeinsam mit einer Gruppe von internationalen Forscherinnen und Forschern vorstellte. Im Prinzip beschreibt das Konzept neun quantitativer, also messbarer, "Belastungsgrenzen" des Planeten, innerhalb derer sich die Menschheit über Generationen hinweg weiter entwickeln und gedeihen kann.
Neun Prozesse bestimmen die Stabilität des Planeten
Das Konzept orientiert sich an neun Prozessen und Systemen des Ökosystems Erde, die die Widerstandskraft und Stabilität des Planeten und damit auch die Lebensgrundlage des Menschen bestimmen. Diese sind Klimawandel, Integrität der Biosphäre, Landnutzungsänderungen, biochemische Kreisläufe, Versauerung der Ozeane, Aerosolgehalt der Atmosphäre, Ozonabbau der Stratosphäre, neue Substanzen und modifizierte Lebensformen sowie Süßwassernutzung. Jedes System hat bestimmte Grenzen, die eingehalten werden müssen, damit diese Lebensgrundlagen gewahrt bleiben.
Werden diese Grenzen überschritten, erhöht sich das Risiko großflächiger abrupter oder unumkehrbarer (negativer) Umweltveränderungen. Planetare Grenzen warnen also davor, dass menschliche Aktivitäten bestimmte Schwellenwerte oder Kipppunkte ("tipping points") nicht überschreiten dürfen, wenn katastrophale Veränderungen auf der Erde vermieden werden sollen.
Viele Grenzen bereits überschritten
Laut einem Update der Wissenschafterinnen und Wissenschafter um Rockström aus dem Jahr 2015 hat die Menschheit bereits vier solcher planetaren Grenzen überschritten und damit den "sicheren Betriebsbereich" verlassen. Als gravierende Gefahren betrachten die Forscherinnen und Forscher die hohen Konzentrationen des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre (Grenze Klimawandel), den Verlust genetischer Vielfalt durch Artensterben (Grenze Integrität der Biosphäre), Änderungen in den globalen Phosphor- und Stickstoffkreisläufen (Grenze biochemische Kreisläufe) sowie den Verlust von Waldgebieten (Grenze Landnutzungsänderungen).
Erde wird weniger lebensfreundlich
Selbst einige der Grenzen, die global noch nicht überschritten wurden, überstiegen zu diesem Zeitpunkt regional bereits ihre Toleranzlimits, wie die Forscherinnen und Forscher berichteten. Dazu gehört unter anderem der Wasserverbrauch im Westen der USA sowie in Teilen Südeuropas, Asiens und des Mittleren Ostens. "Durch das Überschreiten dieser Grenzen erhöht sich das Risiko, dass der Einfluss des Menschen die Erde weniger lebensfreundlich macht, dass Bemühungen zur Armutsbekämpfung beeinträchtigt werden und dass sich das menschliche Wohlergehen in vielen Teilen der Welt verschlechtern könnte, auch in reichen", erklärte damals der Leitautor Will Steffen vom schwedischen Stockholm Resilience Centre.
Wechselwirkungen: Grenzüberschreitungen können sich gegenseitig bedingen
Die Theorie der planetaren Grenzen ist aber auch deshalb so interessant, weil sie auch die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Erdsystemen und deren Grenzen aufzeigt. Die verschiedenen Systeme sind nicht voneinander unabhängig, sondern beeinflussen sich gegenseitig. So kann die Überschreitung einer Grenze in einem System schnell zur Überschreitung der nächsten Grenze in einem oder gar mehreren anderen Systemen führen. Ein Beispiel für eine solche Wechselwirkung sind Klimawandel und der Verlust von Waldgebieten. Werden tropische Regenwälder abgeholzt um landwirtschaftliche Nutzflächen auszuweiten, erhöht das den CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Die so entstandenen zusätzlichen Treibhausgase tragen dann weiter zur globalen Erderwärmung bei. Durch den Temperaturanstieg steigt gleichzeitig wiederum der Druck auf die Regenwälder.
Die planetaren Grenzen machen also deutlich, dass der Klimawandel nicht die einzige gravierende globale Umweltveränderung darstellt, sondern sich in eine ganze Reihe riskanter und miteinander verbundener Veränderungen im Erdsystem einfügt.
Das könnte Sie auch interessieren
Partnermeldung
Standort für Cori-Institut fixiert: In Graz entsteht Zentrum für Spitzenforschung zu Stoffwechselerkrankungen
Partnermeldung
5GEARING: Ein Innovationsschub für die Fertigung
Partnermeldung