Wiener Forscher verbinden Kohlenstoff-Ketten neuartig zu Ringen
Alle Lebewesen sind aus Substanzen mit Kohlenstoffketten als Rückgrat aufgebaut und viele Medikamente haben sie als Grundgerüst. Es lässt sich schwer für neue Wirkstoffe verändern. Eine Technik von Wiener Chemikern erleichtert dies nun. Damit kann man weiter entfernte Kohlenstoffe des Rückgrats verbinden und zusätzliche Ringe in die Kettchen knüpfen, berichten sie im Fachjournal "Science". Die so entstehenden "Decaline" seien Bausteine für viele Arzneimittel.
Mittels eines positiv geladenen Kohlenstoff-Bausteins (Carbokations) im Rückgrat konnte man es schon beschränkt manipulieren, erklärt Nuno Maulide vom Institut für Organische Chemie der Universität Wien in einer Aussendung. Das Carbokation zerstört dabei eine Bindung des benachbarten Kohlenstoffs mit einem anderen Element, nämlich Wasserstoff. Die freigewordenen Bindungskapazitäten des Nachbars werden vereinnahmt, und die beiden Kohlenstoffe sind fortan mit einer Doppelbindung verehelicht, wo zuvor eine nachbarschaftliche Einfachbindung bestand.
"Produkte mit Doppelbindungen können äußerst nützlich sein, manchmal ist jedoch stattdessen eine Einfachbindung gewünscht", so Maulide. Diese wäre durch "gezieltes Anvisieren" einer anderen Bindung von Kohlenstoff und Wasserstoff (ebenfalls mit einem Carbokation) möglich. "Jenes Kohlenstoffatom, welches die positive Ladung trägt, ist dabei genau so positioniert, dass es bevorzugt mit einem einzigen anderen Kohlenstoffatom wechselwirkt, oder genauer: dessen Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung", erklärte er der APA.
Weil der Kohlenstoff, dessen Beziehung mit Wasserstoff daraufhin gelöst wird, diesmal kein Nachbar ist, handle es sich um eine "entfernte Eliminierung". "Diese Reaktion führt zur Bildung einer neuen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Einfachbindung", berichten die Forscher. Sie findet zwischen zwei Kohlenstoffatomen statt, die zuvor weiter entfernte Glieder der Nachbarschafts-Kette waren.
Dadurch wird eine einfache Kette zu einem Ring zusammengebunden, oder aus einem großen Ring entstehen zwei kleinere Ringe. Die Forscher konnten so "Decaline" synthetisieren. "Decaline sind eine Klasse zyklischer kohlenstoffbasierter Moleküle, die in vielen biologisch aktiven Verbindungen vorkommen", sagte Maulide: "Wir können diese Moleküle nun auf eine viel effizientere Weise herstellen und somit möglicherweise zur Entwicklung neuer und wirksamerer Medikamente beitragen."
Service: https://dx.doi.org/10.1126/science.adi8997